Blick von der Villa Malta in Rom nach Norden (M+)

Johann Christian Reinhart

Blick von der Villa Malta in Rom nach Norden, 1829/31

Tempera auf Leinwand, 166,5 x 267,4 cm
1835 durch König Ludwig I. vom Künstler erworben
Inv. Nr. WAF 814

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Blick von der Villa Malta in Rom nach Norden

Dem ausgeprägten Willen Ludwigs I. zu enzyklopädisch angelegten künstlerischen Unternehmungen verdankt eine ganze Reihe von außergewöhnlichen malerischen Ensembles in der Neuen Pinakothek ihre Entstehung: sei es Kobells Schlachtenzyklus, seien es Rottmanns Wandbilder der griechischen Landschaften oder Quaglios Ansichten des alten München. Auch die vier Ansichten von Rom, die Johann Christian Reinhart im Auftrag Ludwigs zu malen hatte, gehören in diese Reihe.
1827 erwarb Ludwig I. die Villa Malta in Rom, in der er schon bei früheren Aufenthalten gewohnt hatte. Von der Dachterrasse und aus dem Turm der auf dem Pincio gelegenen Villa genießt man einen weiten Rundblick über die Stadt. 1829 beauftragte der König den Landschaftsmaler Reinhart, vier große Temperagemälde mit der Aussicht auf Rom vom Turmzimmer der Villa aus zu malen. Reinhart, der sein Künstlertum auf der idealisch-heroischen Landschaft mit Staffage gegründet sah, unterzog sich nur widerwillig dieser Aufgabe. Die Vedutenmalerei war, da sie die Erfindungsgabe des Künstlers weniger forderte, gering geschätzt. Noch im selben Jahr war das erste der vier Bilder nahezu vollendet, die drei weiteren folgten mit teilweise längeren Unterbrechungen bis 1835. Grundlage waren vier vor Ort ausgeführte aquarellierte Zeichnungen, die etwa ein Viertel der Größe der Gemälde besaßen (ehemals München, Staatliche Graphische Sammlung, Kriegsverlust). 1836 kamen die vier Bilder nach München. Die ursprünglich geplante Aufstellung in einem eigens dafür konzipierten Raum im Königsbau der Residenz wurde allerdings nicht verwirklicht. Die heutige Hängung in einem kleinen Kabinett der Neuen Pinakothek kommt diesem Gedanken aber nahe.
Die vier Gemälde schließen sich zu einer vollständigen Rundsicht über Rom zusammen und geben einen einzigartigen Eindruck vom Aussehen der Stadt in den Jahren um 1830. Der Blick nach Norden (Inv. Nr. WAF 814) zeigt die durch Gärten geprägte unmittelbare Umgebung der Villa. Links erscheint die Villa Medici, rechts, nahe dem Bildrand, die Umfassungsmauer der Villa Ludovisi. Weit in der Ferne werden die Umrisse des Monte Soracte sichtbar. Der Blick nach Osten (Inv. Nr. WAF 812) zeigt als zentrales Motiv den benachbarten Klosterkomplex von S. Isidoro, in dem die im Lukasbund vereinten jungen deutschen Künstler während ihrer ersten Zeit in Rom lebten. Weiter rechts sind die Diokletiansthermen mit der Kirche S. Maria degli Angeli zu erkennen und ganz am rechten Bildrand ein Flügel
des Palazzo Barberini.
Mit dem Blick nach Süden (Inv. Nr. WAF 811) ist zunächst einmal der südlich vorgelagerte Garten der Villa eingefangen, weiter in der Ferne wird der Quirinalspalast in seiner ganzen Ausdehnung sichtbar, rechts der Kapitolshügel und nahe dem rechten Bildrand S. Andrea delle Fratte und S. Ignazio.
Die ungewöhnlichste Aussicht bietet der Blick nach Westen (Inv. Nr. WAF 813), da ein Großteil der Bildfläche von der im Vordergrund sich ausbreitenden vielfältigen Dachlandschaft eingenommen wird. In der Ferne erscheint der Vatikan mit der Peterskirche. Reinhart hat die Aufgabe der Romansichten als »saure Arbeit« empfunden, weil er »Tage lang Dächer, Schornsteine und Fenster« zu malen hatte. Der Zyklus und vor allem der Blick über die Dachlandschaft auf St. Peter gehört aber zu Reinharts eindrucksvollsten Werken, die heute eine größere Frische besitzen als manche seiner heroischen Landschaften, in deren Gestaltung der Künstler größere Freiheiten hatte.

Johann Christian Reinhart (1761 ‐ 1847)

Leben und Werk

Johann Christian Reinhart, der seit 1789 in Rom lebte, gehört neben Joseph Anton Koch zu den Begründern der deutsch-römischen Landschaftsmalerei des Klassizismus. Ihre Kunst unterschied sich durch ein neues Naturverständnis von der vorher vornehmlich praktizierten Vedutenmalerei. In der Auseinandersetzung mit den klassischen, idealen Landschaften von Claude Lorrain und Nicolas Poussin auf der einen sowie mit der holländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts auf der anderen Seite entwickelten sie einen neuen, empfindsameren Zugang zur Landschaft. Während diese Tendenz zum Gefühlvollen bereits frühromantische Züge besitzt, ist die Art und Weise des Farbauftrages im Sinne des Klassizismus akribisch und detailgetreu, kleinteilig strukturiert und verrät immer die Vorarbeit in der Zeichnung. Reinharts Landschaften sind zu idealen Szenerien gestaltet. Erst die stimmungsvolle Charakterisierung bewirkt in Reinharts Verständnis die Erhebung eines Landschaftsgemäldes zur Kunst. Die arkadische Stimmung in seinen Bildern rührt von einer warmen, tonigen Farbgebung und der sensiblen Einbettung des Menschen in die Natur her. Reinharts Kompositionen folgen dabei den Mustern der klassischen Landschaftsmalerei: Der Blick auf die Szenerie wird seitlich durch aufragende Baumgruppen gerahmt, und durch farblich differenzierte, in die Tiefe gestaffelte Bildebenen wird räumliche Wirkung erzeugt.

Johann Christian Reinhart

Blick von der Villa Malta in Rom nach Osten, 1831

Tempera auf Leinwand, 166,9 x 266,5 cm
1835 durch König Ludwig I. vom Künstler erworben
Inv. Nr. WAF 812

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Johann Christian Reinhart

Blick von der Villa Malta in Rom nach Westen, 1835

Tempera auf Leinwand, 167,0 x 266,5 cm
1835 durch König Ludwig I. vom Künstler erworben
Inv. Nr. WAF 813

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Johann Christian Reinhart

Die Erfindung des korinthischen Kapitells durch Kallimachos, 1846

Öl auf Leinwand, 95,8 x 135,0 cm
1846 durch König Ludwig I. vom Künstler erworben
Inv. Nr. WAF 815

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Johann Christian Reinhart

Gewitterlandschaft mit Gebirgssee und Wasserfall, 1831

Öl auf Leinwand, 49,0 x 66,8 cm
1832 durch König Ludwig I. vom Künstler erworben
Inv. Nr. WAF 816

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Johann Christian Reinhart

Blick von der Villa Malta in Rom nach Süden, 1834

Tempera auf Leinwand, 166,5 x 267,0 cm
1835 durch König Ludwig I. vom Künstler erworben
Inv. Nr. WAF 811

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