Die Auswanderer (M+)

Oskar Kokoschka

Die Auswanderer, 1916-1917

Leinwand, 94 x 145 cm

Inv. Nr. 13465

© VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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Die Auswanderer

Das Gemälde „Die Auswanderer“, einst in der hervorragenden modernen Sammlung des Städtischen Moritzburg-Museums in Halle befindlich, 1937 dort bei der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und 1939 von Sofie und Emanuel Fohn erworben, zählt zu Kokoschkas Meisterwerken seiner Dresdener Zeit – zugleich ist es ein Schlüsselbild für Kokoschkas Aufenthalt in Dresden, der durch Rückzug und Aufbruch gekennzeichnet war. Die Kriegsverletzung, die er im Ersten Weltkrieg davontrug, führte bei Kokoschka zu einem psychischen Schock, verstärkt durch die nicht verwundene Trennung von Alma Mahler. Diese krisenbewusste Seelenlage hat Kokoschka in dem Gruppenbild seines durchweg pazifistisch gesonnenen Dresdener Freundeskreises festgehalten: links im roten Kleid die Schauspielerin Käthe Richter, in der Mitte der Dichter Fritz Neuberger und rechts der Künstler selbst. Die Figuren wirken in dieser unwirtlichen Landschaft mit kahlen Bäumen unter einem düsteren Himmel wie ausgesetzt und ratlos, wohin sie sich um Zuflucht wenden könnten. Dem Barock, aber auch der venezianischen Malerei eines Veronese, Tizian und Tintoretto und schließlich dem expressiven Pinselduktus Vincent van Goghs ist Kokoschkas nervöse, strudelige Handschrift verpflichtet. Ihr malerisches Pathos legt die psychischen Spannungen der Dargestellten bloß. Zugleich bindet sie die nebeneinander aufgereihten Einzelindividuen zu einer Gesamtkonzeption zusammen. Kokoschka hat dieses Verfahren 1917 in einem Brief an den Wiener Kunsthistoriker Hans Tietze beschrieben: „Jetzt baue ich Menschengesichter […] zu Kompositionen auf, in welchen Wesen mit Wesen streitet, in striktem Widerspruch steht wie Hass und Liebe, und ich suche nun in jedem Bild nach dem dramatischen Akzidens, das die
Einzelgeister zu einer höheren Ordnung umschweißt.“

Oskar Kokoschka (1886 ‐ 1980)