Orangenesser IV

Georg Baselitz

Orangenesser IV, 1981

Öl auf Leinwand, 146,1 x 114 x 3,4 cm

Inv. Nr. WAF PF 46

© Georg Baselitz, 2016

Details   

Orangenesser IV

Schienen die früheren Heldenbilder noch in allegorischen Orten angesiedelt zu sein, die zwar weder konkrete Raum- noch Zeitvorstellungen zuließen, aber ein zumindest im Ansatz beschreibbares Ambiente umrissen, so sind die Arbeiten seit den achtziger Jahren um ein Vielfaches radikalter und damit zugleich präziser, wie auch der "Orangenesser" zeigt: Großzügig aufgefasste, mit breitem Pinselstrich aufgetragene und besonders bunte Farbflächen vollziehen die formale Loslösung vom Gegenstand - hier eine Orangen essende Figur - und rechtfertigen somit das Auf-den-Kopf-Stellen des Bildes. Das figürliche Motiv wird zum reinen Farbtröger uminterpretiert und nähert sich abstrakt-gestischen Gestaltungsweisen an. Die frühen Umkehrungen der ersten Hälfte der siebziger Jahre blieben demgegenüber manchmal noch zu stark in der gegenständlichen Fixierung stecken und relativierten damit die Notwendigkeit der Umkehrung - vergleichbar etwa einigen kubistischen Porträts, die aufgrund ihrer extremen Personenähnlichkeiten ein Widerspruch in sich zu sein scheinen. Bis auf wenige zeitlich eng begrenzte Ausnahmen setzt Baselitz seither zentrierte und isolierte Einzelmotive ohne weitere beschreibende Attribute in die Bildfläche. Durch die unhierarchische, serielle Abfolge unterschiedlicher Dingzeichen in einzelnen Werken nebeneinander (etwa in der Gruppe der Motiv-Bilder) erreichte Baselitz auch deren inhaltliche Angleichung.

Georg Baselitz (1938)

Leben und Werk

Georg Baselitz prägt mit seinem Werk die Entwicklung der Malerei seit 1960 maßgeblich. Im kraftvollen, häufig provokativen und erfrischend humorvollen Dialog mit Stilrichtungen und Motiven der Kunstgeschichte widmet er sich in expressiver Ausdrucksweise Themen der gesellschaftlichen und persönlichen Wirklichkeit. Innerhalb seiner Malerei bewirkt er durch die Umkehrung und Fragmentierung seiner Motive eine Störung des Verhältnisses von Inhalt und Form. Diese Irritation wird verstärkt durch den zusätzlichen Einsatz abstrakter Pinselstrichen, die nur um ihrer selbst willen auf der Leinwand zu sein scheinen. Widerständig gegen konventionelle Wahrnehmungsmechanismen, fordert der Künstler durch innovative Kompositionen immer wieder dazu auf, vermeintlich Bekanntes neu zu betrachten. Diese Strategie findet einen Höhepunkt in den Remix-Bildern ab 2004, in denen er neue Versionen früherer Gemälde seines Oeuvres voller formaler und inhaltlicher Transformationen spielerisch erzeugt und damit dem eigenen Anspruch an die Aktualität der Malerei treu bleibt.