Aus Goethes „Herrmann und Dorothea“

Eugen Napoleon Neureuther

Aus Goethes „Herrmann und Dorothea“, 1864

Öl auf Leinwand, 67,4 x 80,6 cm

Inv. Nr. 11478

Details   

Aus Goethes „Herrmann und Dorothea“

Das Gemälde zeigt eine Szene aus Goethes Versepos Hermann und Dorothea, eines der im 19. Jahrhundert populärsten und meistgelesenen Werke des Dichters. Gezeigt ist der Moment, in dem die Mutter ihren Sohn Hermann im elterlichen Weinberg aufsucht. Dorthin hatte sich der junge Mann nach einer Auseinandersetzung mit dem Vater zurückgezogen. Grund des Zerwürfnisses war der Entschluss Hermanns, um die junge Flüchtlingsfrau Dorothea zu werben, eine Entscheidung, die der Vater nicht akzeptieren wollte. Die Mutter jedoch sucht das versöhnende Gespräch, das die Wende der Ereignisse im Gang setzt.

„Zwischen den Äckern schritt sie hindurch, auf dem Raine, den Fußpfad,
Hatte den Birnbaum im Auge, den großen, der auf dem Hügel
Stand, die Grenze der Felder, die ihrem Hause gehörten. [...]
Und sie irrete nicht; dort saß ihr Hermann und ruhte,
Saß mit dem Arme gestützt und schien in die Gegend zu schauen
Jenseits, nach dem Gebirg, er kehrte der Mutter den Rücken.
Sachte schlich sie hinan und rührt' ihm leise die Schulter.
Und er wandte sich schnell; da sah sie ihm Tränen im Auge.“

Neureuther zeigt das Geschehen in einer atmosphärisch beleuchteten Landschaft. Der Sohn sitzt auf einer hölzernen Bank unter dem ausladenden Birnbaum, nach rechts öffnet sich ein weiter Blick über die fruchtbare Rheinlandschaft. Neureuther liefert in diesem Bild eine stimmungsvolle eine malerische Übersetzung der Dichtung Goethes, die zugleich die umfassenden literarischen Interessen des Sammlers Graf Schack belegt. 

Eugen Napoleon Neureuther (1806 ‐ 1882)

Leben und Werk

Geboren am 11. Januar 1806 in München als Sohn des Malers Ludwig Neureuther, gestorben am 23.März 1882 in München. –  Neureuther lernte beim Vater das Zeichnen und studierte an der Münchner Akademie bei Peter Cornelius undWilhelm von Kobell. Cornelius beschäftigte ihn als Gehilfen bei der Ausmalung der Glyptothek. Aufsehen erregte Neureuther dann aber vor allem als Illustrator von Werken der deutschen Dichtung. Seine Randzeichnungen zu Goethes Balladen und  Romanzen, die 1829/30 und 1839 in fünf Heften bei Cotta erschienen, trugen ihm Lob und Anerkennung vonseiten Goethes ein: »In der Kunst ist mir nicht leicht ein erfreulicheres Talent vorgekommen als das von Neureuther. Es beschränkt sich selten ein Künstler auf das, was er vermag, die meisten wollen mehr tun, als sie können, und gehen gar zu gern über den Kreis hinaus, den die Natur ihrem Talente gesetzt hat. Von Neureuther jedoch läßt sich sagen, daß er über seinem Talent stehe« (Goethe im Gespräch mit Eckermann, 5. April 1831). 1830 war Neureuther in Paris, 1837 in Rom. 1848 bis 1856 leitete er alsNachfolger von Friedrich Gärtner die Nymphenburger Porzellanmanufaktur. 1868 bis 1876 wirkte er als Professor für dekorativeWandmalerei an der Münchner Kunstgewerbeschule. Neureuthers Gemälde in der Sammlung Schack gehören fast alle dem Spätwerk an und sind überwiegend auf Anregung und Bestellung des Sammlers entstanden. Schack schätzte den Künstler »wegen seiner anmutsvollen Zeichnungen « und fand es bedauerlich, dass er nur wenig Gelegenheit gehabt habe, sich als Maler zu beweisen (Schack 1894, S. 97). Die Gemälde Neureuthers, dessen jüngerer Bruder der Architekt Gottfried von Neureuther (1811–1887) war, gehen häufig auf Entwürfe zurück, die alsWanddekorationen für Gebäude gedacht waren.