Marktkirche in Halle (M+)

Lyonel Feininger

Marktkirche in Halle, 1930

Öl auf Leinwand, 102 x 80,4 cm

Inv. Nr. 12013

© VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Details   

Marktkirche in Halle

Lyonel Feininger, in New York als Sohn eines deutschstämmigen Musikerehepaars geboren, wurde 1919 als erster Maler von Walter Gropius ans Bauhaus in Weimar berufen, wo er die Grafikwerkstatt leitete. Feiningers berühmter Holzschnitt einer zum Sternenhimmel hinaufragenden gotischen Kathedrale illustrierte das erste Bauhausmanifest und seine utopische Vision vom Gesamtkunstwerk. Es scheint fast so, als habe Feininger mit seinen Kirchenbildern das Bauhaus nochmals an den mittelalterlichen Bauhüttengedanken erinnern wollen. Denn mit dem Umzug von Weimar nach Dessau im Jahr 1925 hatte die Schule endgültig den Wechsel vom künstlerischen Handwerk zur Industrieform vollzogen. Dieser Tendenz mochte Feininger nicht folgen, weshalb er in Dessau kein Lehramt mehr übernahm. Das Bild „Marktkirche von Halle“ gehört zu einer zwischen 1929 und 1931 entstandenen Serie von Ansichten Halles und zeigt die aus dem frühen 16. Jahrhundert stammende Marienkirche von Osten, davor den bevölkerten Marktplatz und am rechten Bildrand den so genannten Roten Turm. Durch den Größenunterschied zwischen Figuren und Architektur wie durch die prismatische Auffächerung erscheint der Bau der Erde entrückt, nach oben und mithin zum Geistigen hinaufstrebend. Die gotische Kirche wird so, ganz im Sinn der Romantik, zur architektonischen Utopie einer Sehnsucht nach dem Unendlichen. Häufig hat man deshalb Caspar David Friedrich zu den künstlerischen Ahnherren Feiningers gerechnet, obgleich Feiningers Ansichten alter Städte und Dörfer formal durchaus zeitgenössisch vom Kubismus und besonders von den Eiffelturmbildern Robert Delaunays beeinflusst sind.

Lyonel Feininger (1871 ‐ 1956)