Eleganz, Schauspiel und Natur

Giovanni Antonio Canal (gen. Canaletto), Santa Maria della Salute und die Riva degli Schiavoni in Venedig, 1736/38

Leinwand, 69 x 94 cm

© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München

Details   

Eleganz, Schauspiel und Natur

Alte Pinakothek
Erdgeschoss West

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Die Malerei des 18. Jahrhunderts ist in der Alten Pinakothek vor allem mit Werken französischer und venezianischer Künstler präsent, die bereits in ihrer Zeit europaweit gefragt waren. Das gilt besonders für François Boucher sowie für Canaletto, Francesco Guardi und Giovanni Battista Tiepolo; Gemälde von Nicolas Lancret und Jean-Baptiste Pater bezeugen das einflussreiche Wirken von Antoine Watteau. 

Wie außergewöhnlich reich und vielfältig die Kunstproduktion im Europa des 18. Jahrhunderts war, wird jedoch erst deutlich, wenn man den Blick über Frankreich und Venedig hinaus richtet und auch das Schaffen der Künstlerinnen und Künstler anderer Regionen berücksichtigt. In der hier eingerichteten Sammlungspräsentation treten selten gezeigte Werke von deutschen und niederländischen Künstlern mit Gemälden aus Frankreich und Italien in einen vielstimmigen Dialog.  

Die Präsentation konzentriert sich auf drei Themenfelder, die sowohl hinsichtlich der zeitgenössischen künstlerischen Prämissen als auch in Bezug auf den kulturhistorischen Wandel während des Zeitalters der Aufklärung besonders aussagekräftig sind: Porträts, vor allem Selbstbildnisse; Feste und galante Szenen; Landschaften und Stadtansichten. Gleichzeitig wird am Beispiel der Vedute gezeigt, wie stark einige der neuen Bildthemen in die Moderne hineinwirkten und auch heute noch den Blick leiten oder Darstellungsmuster vorgeben. Am Ende des Parcours stehen deshalb Panorama- Gemälde und Fotografien des 19. Jahrhunderts mit Ansichten von Venedig und Rom. 

Die intensive Reflexion der Vernunft- und Gefühlskompetenz des Menschen, seiner Freiheit und seines Verhältnisses zur Gesellschaft, das neue Geschichtsbewusstsein, die Wiederentdeckung der Natur und die Erforschung der Naturgesetze – all diese Aspekte prägten das 18. Jahrhundert und spiegeln sich in den Inhalten der ausgewählten Gemälde. Eine historisch gewachsene museale Sammlung vermittelt darüber hinaus besonders eindringlich, dass sich die europäische Kunst des 18. Jahrhunderts durch die Parallelität zahlreicher, teils widersprüchlicher künstlerischer Ansätze auszeichnet.  

  

Ein Bild von einer Stadt

Giovanni Antonio Canal (gen. Canaletto) (1697-1768), Santa Maria della Salute und die Riva degli Schiavoni in Venedig, um 1736/38 © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München

Schon immer war Italien ein Sehnsuchtsort. Zu allen Zeiten reisten Menschen dorthin. Einen besonderen Aufschwung erlebten Italienreisen im 18. Jahrhundert. Ganz im Sinne der Aufklärung sollten Sitten und Gebräuche, aber auch Sprache und Geschichte studiert werden. Dabei bildete sich durch die Jahrhunderte ein Kanon von Orten heraus, die fortlaufend aufgesucht und in immer gleichen Darstellungen festgehalten wurden. Als Erinnerung an die gesehenen Orte brachten Adelige von diesen Reisen oftmals Veduten mit, die sie später in Stadthäusern und Landsitzen stolz präsentierten.

Zu den frühesten Veduten zählen diejenigen des Niederländers Gaspar Adriaensz van Wittel, der den Großteil seines Lebens in Italien verbrachte. Seine Gemälde verbinden topographische, fast schon wissenschaftliche Genauigkeit mit einem großen Einfühlungsvermögen für Atmosphäre und Licht. Diese Herangehensweise war wegweisend für die hier gezeigten großen Meister der venezianischen Vedutenmalerei, Giovanni Antonio Canal, gen. Canaletto, Michele Marieschi und Francesco Guardi.

Ihre Veduten prägen bis heute die Wahrnehmung italienischer Städte. So sind uns die damals gewählten Perspektiven vertraut und werden kontinuierlich in ungezählten Fotografien und Schnappschüssen tradiert. Dies verdeutlichen nicht zuletzt die Stadtansichten des Fotografen Giorgio Sommer. Seine Fotografien überführen die Ideen der venezianischen Vedute in das neue Medium und richten sich ebenso an Reisende, die sich an die wichtigsten Orte ihrer Reise erinnern wollten. Entsprechend finden sich im Oeuvre Sommers und anderer Fotografen viele Variationen der immer gleichen Motive: etwa der Markusdom und Santa Maria della Salute in Venedig oder in Rom das Forum Romanum und der Petersdom.

Giorgio Sommer (1834-1914), Tiber mit Engelsburg und Sankt Peter, um 1860/65 2014 durch den Pinakotheks-Verein in Verbindung mit der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Sparkassen Finanzgruppe für die Neue Pinakothek erworben. Albumpinpapier 17,6 x 24,2 cm © Bayerische Staatsgemäldesammlungen / Sammlung Dietmar Siegert

Die Macht der Natur – idealschön oder erhaben  

Philipp Hieronymus Brinckmann (1709-1760), Der Rheinfall bei Schaffhausen mit Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz und Gefolge, um 1759 © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München

Jean Jacques Rousseau, der mit seiner Philosophie die Epoche der Aufklärung wesentlich prägte, wird der Aufruf „Zurück zur Natur“ zugeschrieben. Mit der Neuentdeckung der Natur als Quelle von Erkenntnis und Glück stand nicht mehr allein das vernunftgeleitete Handeln des Menschen im Zentrum der kulturkritischen Debatten, sondern auch sein Empfindungsvermögen und seine sinnliche Wahrnehmung. So erlebte die Landschaftsmalerei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen großen Aufschwung und bereitete romantischen Naturdarstellungen den Weg.

Hubert Roberts Ruinenbilder dienten der Reflexion über die vergangene Größe der Antike. Wie die allseits gefragten pastoralen Landschaftsszenen regten sie dazu an, den verlorenen Ursprungszustand nachzuempfinden, als der Mensch noch mit der Natur im Einklang lebte.

Der arkadischen Idylle traten Darstellungen gegenüber, die aus dem empirischen Naturstudium hervorgingen. Das sinnliche Erleben der Landschaft bei Spaziergängen und Reisen gab die wesentlichen Impulse. Der Mannheimer Hofmaler Philipp Hieronymus Brinckmann erkundete und feierte die Schweizer Bergwelt. Sein Bild vom Rheinfall spiegelt, wie lustvoll der aufgeklärte Mensch die überwältigende Kraft der Natur betrachtete. Als erhabenes Naturereignis, das über das rational Fassbare hinausgeht, gestaltete auch Claude Joseph Vernet seine von Denis Diderot gerühmten Sturmdarstellungen. In klassischer Tradition fügte Vernet nach der Natur studierte Motive zu idealisierenden Kompositionen.

Seinen Eindruck von einer Regatta auf dem Canale della Giudecca malte Guardi als visionäres Schauspiel von Licht und Wasser. Und auch eine Ereignisvedute, der ein realer Brand in Venedig zugrunde liegt, verklärte er zum Inbegriff der Naturmächte, so dass sie Vernets dramatischer Fiktion einer nächtlichen Feuersbrunst nahesteht.    

Der Blick auf sich selbst – Malerin und Maler als Thema der Malerei

Marie-Gabrielle Capet (1761–1818), Atelierszene (Adélaïde Labille-Guiard porträtiert Joseph-Marie Vien), 1808 © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München

Der Pracht des Barock begegneten die Porträtmaler des Rokoko mit einem verspielteren Schönheitsideal von eleganter Leichtigkeit und Anmut. Stilprägend waren namhafte französische Künstler wie François Boucher. Zu den wichtigen in Deutschland tätigen Porträtisten zählte der Schwede George Desmarées, der ab 1730 kurfürstlicher Hofmaler in München war, wo er seinen älteren Kollegen Balthasar August Albrecht porträtierte. Ebenfalls aus Schweden stammend und europaweit gefragt war der zeitweilig in Bayreuth wirkende Alexander Roslin.

Als Reaktion auf den seit den 1720er Jahren in der europäischen Kunst vorherrschenden sinnlichen Stil des Rokoko, der als dekorativ oder auch frivol gescholten wurde, verbreitete sich um 1760 die ernste und heroische Malereischule des Klassizismus. Diese auf Maß und Harmonie bedachte Kunstauffassung stellt die Qualitäten der Zeichnung über die der Farbe, der Atmosphäre und Lichteffekte. Zu den frühen Klassizisten zählen der als Erfinder des Touristenporträts geltende Pompeo Batoni und die Schweizerin Angelika Kaufmann, die als Malerin eine Ausnahmeerscheinung im Rom des ausgehenden 18. Jahrhunderts war.

Während der Münchner Hofmaler Jacob Dorner d. Ä. mit seinen Werken im noch barock geprägten Stil niederländischer Kleinmeister des 17. Jahrhunderts einflussgebend war, hatte die französische Malerin Marie-Gabrielle Capet vor allem Erfolg mit ihren Miniaturporträts. In ihrer programmatischen Atelierszene führt sie bedeutende Vertreter der klassizistischen Malerschule in einem generationenübergreifenden Idealbild zusammen. Mit dieser „gemalten Genealogie“ erweist sie der Tradition französischer Akademiemaler Reverenz und verweist stilistisch bereits auf die Kunst des 19. Jahrhunderts.

Feste und galante Szenen

Jean-Baptiste Pater (1695–1736), Die Freuden des Landlebens, um 1753 © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München

Liebesthemen und -motive spielen in der französischen Malerei des 18. Jahrhunderts eine zentrale Rolle. So begründete Antoine Watteau vor 1721 das Genre der Fête galante, des „galanten Festes“. Jean Baptiste Joseph Pater knüpft in seinem hier präsentierten Gemälde an Watteau an: In einer parkartigen Landschaft, die wie eine erträumte Örtlichkeit wirkt, finden vornehme junge Leute im Gespräch und mit Blicken zueinander. Wohl inspiriert durch französische Vorbilder versammelt der Wiener Maler Johann Georg Platzer in seiner Gesellschaftsszene ebenfalls Liebespaare im Freien.

Der Venezianer Francesco Guardi steht mit seinem „Galakonzert“ dagegen in der Tradition der Wiedergabe wirklicher Feste – doch stellt er vor allem die flirrende Atmosphäre vor Augen und setzt dabei auf seine besonders freie Pinselführung.

Marguerite Gérards Darstellung eines jungen Paares, das nostalgisch in alten Briefen liest, ist ein spätes Beispiel für eine galante Szene im Innenraum; mit seiner ruhigen Häuslichkeit unterscheidet sich das Gemälde von den oft deutlich erotischen Bildern des Lehrers und Schwagers der Künstlerin, Jean-Honoré Fragonard. Sowohl Gérards Genrebild als auch die Fêtes galantes sind ohne Vorbilder aus der holländischen und flämischen Malerei des 17. Jahrhunderts nicht denkbar.

Der aus Verona stammende Pietro Antonio Rotari greift in seinen Szenen des Weinenden Mädchens und des Schlafenden Mädchens Motive auf, die in der Malerei des französischen Rokoko präsent waren. Er widmet sich den galanten Sujets jedoch in seiner am Barockklassizismus orientierten glatten Malweise – und bildet damit eine markante Gegenposition zu den locker gemalten und buntfarbigen Gemälden eines François Boucher.