Das Drama (M+)

Das Drama

Der Betrachter blickt über den Rücken der Zuschauer hinweg, gleichsam wie in einem Guckkasten, auf das Bühnengeschehen, wo sich eine Eifersuchtsszene abspielt. Gezeigt ist der dramatische Höhepunkt: Einer der Akteure, vermutlich der Rivale, liegt bereits tot am Boden, der männliche Täter triumphiert über sein Opfer und bedroht gleichzeitig die entsetzt davonstürzende weibliche Darstellerin. Das Publikum verfolgt das Geschehen gebannt und
scheint ähnlich erregt zu sein. Daumier steigert die Dramatik der Situation durch die dynamische Bewegung der Schauspieler auf der Bühne wie der Zuschauer zur Bühne hin. Unterstützt wird sie außerdem durch die gezielte Lichtführung. Dabei ist die gesamte Farbigkeit fast monochrom.
1864 erschien in der Zeitschrift »Charivari« eine Lithographie Daumiers des gleichen Inhaltes. Dies ist typisch für seine Arbeitsweise: Ein Thema wird in verschiedene Techniken übersetzt. Karikiert werden hier sowohl das Geschehen auf der Bühne als auch die Reaktionen des Publikums. Letzteres faszinierte Daumier in all seinen Schattierungen: Kleinbürger, die ihren Sensationshunger
an Schauerdramen stillen und, berauscht vom leidenschaftlichen
Affekt auf der Bühne, als aufwogende Masse in das fragwürdige Spiel
miteinbezogen wurden. Daumiers Entlarvung der nüchternen Realität in der Welt des Theaters beeinflusste nicht zuletzt Künstler wie Edgar Degas, in dessen Kunstsammlung sich etliche Werke Daumiers befanden.

Honoré Daumier (1808 ‐ 1879)

Leben und Werk

Geboren am 26. Februar 1808 in Marseille, gestorben am 10. Februar 1879 in Valmondois (Oise). - Nach kurzer Ausbildung im Zeichnen und dem Studium an der Académie Suisse 1823/24 war Daumier von 1825 bis 1830 Gehilfe des Lithographen Zéphirin Belliard und 1829 Illustrator bei der Zeitschrift »La Silhouette«. 1830 wurde er ständiger Mitarbeiter der politischen Wochenschrift »La Caricature«. Nachdem er selbst wegen Majestätsbeleidigung 1832 für ein halbes Jahr im Gefängnis gesessen hatte, musste die Zeitschrift 1835 gänzlich eingestellt werden. Daumier schuf nun für die illustrierte Tageszeitung »Le Charivari« karikaturistische Serien, in denen er die Schwächen des Bürgertums anprangerte. Der politischen Satire kommt in Daumiers Werk zentrale Bedeutung zu. Dagegen blieben seine Gemälde zu Lebzeiten von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt.