Junge Frau, beim Schein einer Lampe nähend (M+)

Junge Frau, beim Schein einer Lampe nähend

Das kleine Interieurbild bringt die bürgerlichen Ideale der Restaurationszeit besonders gut zur Anschauung. Die einfache Tätigkeit der Hausarbeit wird von der jungen Frau mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit ausgeführt - darauf verweist auch die auf der Fensterbank liegende Bibel. Nichts kann sie in der Konzentration auf ihr Nähzeug stören, und auch der Betrachter des Bildes wird durch nichts von diesem zentralen Motiv abgelenkt.

Die Wände des hohen Raumes sind in einem warmen Grün getönt. Als einzige Zierde hängt eine Draperie von der Decke herab. Das Licht der Lampe reicht gerade aus, um das unmittelbare Gesichtsfeld der Frau zu erhellen und legt somit auch den Fokus des Betrachters fest. Fast wie ein Eindringling muss sich dieser fühlen, weil er die harmonische Ruhe der häuslichen Szene zu stören wagt.

Die stille Versenkung in einfache "niedere" Tätigkeiten wurde erstmals im 18. Jahrhundert bei Jean Baptiste Chardin zum Thema in der Genremalerei, in dessen Tradition Kerstings Malerei durchaus zu sehen ist.

Georg Friedrich Kersting (1785 ‐ 1847)

Leben und Werk

Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Georg Friedrich Kersting studierte wie viele andere Künstler aus dem Norden Deutschlands an der fortschrittlichen Akademie in Kopenhagen. Ab 1808 lebte er in Dresden, das damals Mittelpunkt der romantischen Literatur- und Kunstszene war. Dort befreundete sich Kersting mit Caspar David Friedrich. Beide unternahmen einige gemeinsame Wanderungen, auf denen Skizzen und Naturstudien entstanden. Später ließ sich Kersting mit seiner Familie in Meißen nieder, wo er eine Anstellung an der Porzellanmanufaktur gefunden hatte. Kersting ist vor allem durch seine Interieurbilder bekannt geworden, die in ihrem privaten, häuslichen Charakter die Zeitstimmung des Biedermeier spiegeln.