18.01.2022: Stimmen zu #PinaShirinNeshat

Stimmen zur Ausstellung "Shirin Neshat. Living in One Land, Dreaming in Another"

Bernhard Maaz, Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen,
Foto: Haydar Koyupinar

Prof. Dr. Bernhard Maaz

Die Ausstellung SHRIN NESHAT. LIVING IN ONE LAND, DREAMING IN ANOTHER, kennzeichnet den Auftakt der Zusammenarbeit der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und der Written Art Collection. Welche Bedeutung hat diese Kooperation für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen? 

Die Geschichte der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen beginnt mit herzoglichen Aufträgen, setzt sich dann mit königlichem Sammeln fort und ist reich an Förderern, Mäzenen, Schenkern. Immer wieder waren es Privatpersonen und Freundeskreise, engagierte Menschen also, die das Wachstum der Sammlungsbestände entscheidend voranbrachten, man denke nur an Namen wie die Brüder Boisserée oder an das Ehepaar Fohn. Und so ähnlich ist die Förderung gelagert, die das Museum nun durch die Written Art Collection erfährt, eine Förderung für Personalkosten, Erwerbungen und Ausstellungen, die ohne diese grandiose Zuwendung nicht möglich wären. Dass gleich mit den ersten beiden Projekten, der großen und großartigen Präsentation von Shirin Neshats eindrucksvollen Fotografien und Videos wie auch mit der kleineren, nicht minder edlen Ausstellung von Arbeiten der libanesisch-amerikanischen Künstlerin Etel Adnan gleich zwei internationale Künstlerinnen im Fokus stehen, freut uns ungemein: Die Vielfalt von Perspektiven könnte nicht sichtbarer und eindrucksvoller sein.

 

Andreas Weisser
Foto: Privat

Andreas Weisser, Restaurator Neue Medien, Doerner Institut

Welche Kriterien sind für Sie als Restaurator für zeitbasierte Medien wichtig, um eine Video-Installation in der Sammlung Moderne Kunst präsentieren zu können, wie aktuell bei der Ausstellung zu Shirin Neshat? (Sound/Licht, Setting der Installation?)

Die wichtigsten Kriterien sind die, die im sogenannten „Manual“ stehen. In diesem Begleitdossier, das eigentlich bei jedem Medienkunstwerk von den Künstler:innen mitgeliefert wird, sind neben den technischen Anforderungen sehr oft auch Angaben über die Raumgestaltung aufgeführt. 

Manche Werke beispielsweise können auf Monitoren gezeigt werden, andere wiederum sollen nur als Projektion ausgestellt werden. In diesem Fall sind vor allem die Lichtstärke des Projektors, das Bildseitenverhältnis, die Projektionsgröße und auch die Lichtsituation im Raum wichtige Kriterien. Daneben ist die Art der Tonwiedergabe relevant: welche Verstärker können verwendet werden und sind Lautsprecher oder Kopfhörer gewünscht. In Verbindung mit der richtigen Fußbodengestaltung, Beleuchtung, Sitzmöglichkeiten und speziellen Wandfarben ermöglichen wir dann einen Gesamteindruck des Kunstwerks, der im Idealfall genau den Vorgaben der Künstler:innen entspricht. 

Anahita Mittertrainer
Foto: Privat

Dr. Anahita Mittertrainer, Leiterin Islamischer Orient am Museum Fünf Kontinente

Im Werk von Shirin Neshat ist Kalligraphie ein wiederkehrendes Element. Welche Bedeutung hat Schrift in der Gegenwartskunst des Nahen und Mittleren Ostens? 

Das Werk Shirin Neshats ist nicht singulär, was den Gebrauch von Kalligrafie angeht – im Gegenteil, die Verwendung von Schrift in der Kunst hat eine lange Tradition im Nahen und Mittleren Osten. Als »Königin der Künste« ist die Kalligrafie das angesehenste und grundlegendste Element der islamischen Kunst und ein Rundgang durch die Dauerausstellung »Orient« des Museums Fünf Kontinente verdeutlicht ihre Verwendung in allen Techniken und Gattungen des Kunstschaffens. Während der Status des Korans eine Erklärung für die Bedeutung der Kalligrafie liefert, ist keineswegs alle Kalligrafie religiösen Inhalts. Inschriften auf Kunstwerken enthalten auch Gedichte, Lobreden auf Herrscher und Aphorismen sowie unterschwellige apotropäische Komponenten. Die Verwendung von Kalligrafie in der Gegenwartskunst des Nahen und Mittleren Ostens entstammt dieser Tradition. Doch sind die geschriebenen Botschaften ambivalenter und verknüpfen vergangene oder gegenwärtige Identitäten auf subtile Weise, wie beispielsweise in den Arbeiten Shirin Neshats zu sehen ist.