25.03.2021: #Dante700 - Die „Divina Commedia“ in der Sammlung Schack

#Dante700: Die Commedia in der Kunst

Vor 700 Jahren starb der große Dichter Dante Alighieri – Eine der berühmtesten Darstellungen aus der „Divina Commedia“ ist Anselm Feuerbachs „Paolo und Francesca“ in der Sammlung Schack

Vor 700 Jahren, am 14. September 1321, starb Dante Alighieri, der Dichter der „Divina Commedia“ und Autor philosophischer und politischer Schriften. Zusammen mit seinen jüngeren Zeitgenossen Petrarca und Boccaccio gehört er zu den großen Klassikern der italienischen Literatur, seine „Commedia“ ist die erste bedeutende Dichtung in italienischer Sprache. Die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens verbrachte der Florentiner Bürger außerhalb seiner Heimatstadt, die er aus politischen Gründen verlassen musste. Die „Commedia“, die erst von Boccaccio mit dem Beiwort „Divina“ versehen wurde, entstand in den Jahren des Exils und reflektiert auf vielfältige Weise die politischen Verhältnisse Italiens, das durch die Machtansprüche des Papstes, des Kaisers und der Kommunen zerrissen war. In drei Teilen mit insgesamt einhundert Gesängen schildert Dante als Ich-Erzähler eine fiktive Jenseitswanderung, die ihn von der Hölle („Inferno“) über den Läuterungsberg („Purgatorio“) ins Paradies führt. Sein Begleiter durch die beiden ersten Sphären ist der Dichter Vergil, der das antike Erbe Italiens repräsentiert und auf den aufkommenden Humanismus vorausweist.   

Das besondere Interesse der Leserschaft galt seit jeher dem „Inferno“, in dem Dante in bewegender, anschaulicher, mitunter drastischer Sprache menschliche Schicksale und Verbrechen schildert. In den neun Kreisen der Hölle büßen Sünder für ihre Missetaten und ihren verwerflichen Lebenswandel. Hier begegnen nicht nur korrupte Herrscher und politisch missliebige Personen aus der älteren und jüngeren Vergangenheit, sondern auch Menschen, deren Schicksale in späteren Jahrhunderten die Klatschspalten der Presse gefüllt hätten. So verwundert es nicht, dass sich bis heute die meisten Leserinnen und Leser dem „Inferno“ zuwenden, während die nachfolgenden, mit vielerlei Symbolik und Gelehrsamkeit befrachteten Teile des Mammutwerkes, das „Purgatorio“ und das „Paradiso“, meist weniger Aufmerksamkeit finden.

Das gilt auch für die Rezeption der „Commedia“ in der bildenden Kunst. Das „Inferno“ bot reichlich Stoff für emotionale Bilder, während die – weitaus selteneren – Darstellungen aus „Purgatorio“ und „Paradiso“ abstrakter und realitätsferner wirken. Im „Inferno“ dagegen begegnet man in subtiler Abstufung den unterschiedlichen Facetten menschlicher Schwächen und Verworfenheit, von den Lastern der Acedia (Faulheit) und Luxuria (Wollust) bis zu den schwersten Vergehen von Verrat und Mord.

 

Kann Liebe Sünde sein? – Die tragische Geschichte der Francesca da Rimini

Zu den berühmtesten und vor allem im 19. Jahrhundert häufig dargestellten Szenen aus der „Commedia“ gehört die Liebesgeschichte von Francesca da Rimini und Paolo Malatesta. Im bürgerlichen Zeitalter, in dem die Spannungen zwischen gesellschaftlichen Zwängen und der Freiheit des Individuums offen zutage traten, traf diese tödlich endende Geschichte eines Ehebruchs offenbar den Nerv des Publikums, so wie auch zwei der berühmtesten Romane der Epoche, Gustave Flauberts „Madame Bovary“ und Theodor Fontanes „Effi Briest“, die Geschichten unglücklich liebender Frauen erzählen. Die Wanderer Dante und Vergil begegnen dem Liebespaar, das auch im Jenseits unzertrennlich ist, im zweiten Kreis der Hölle, wo die „Fleischessünder“ („peccatori carnali“) büßen. Francesca erzählt mit bewegenden Worten ihre Geschichte, die damit beginnt, dass sie von ihrer Familie aus politischem Kalkül mit einem Mann verheiratet wird, den sie nicht liebt: Gianciotto Malatesta, dem Sohn des Signore von Rimini. Mit Gianciottos Bruder jedoch, dem schönen Paolo, teilt sie ihre Leidenschaft für die Künste und die Literatur. Gemeinsam lesen sie in einem der populären Romane des Mittelalters von der Liebe des Helden Lancelot zu Guinevere, der Frau des Königs Artus. Über der Lektüre der Liebesgeschichte im Roman entdecken die beiden, Schwägerin und Schwager, ihre Liebe zueinander und es kommt zum Ehebruch. In der Übersetzung von Karl Witte lautet die Passage:

 

„Wir lasen eines Tages zum Vergnügen
Von Lanzelot, wie Liebe ihn umstrickte,
Allein und unbeargwohnt waren wir.
Oft hieß des Buches Inhalt uns einander
Scheu ansehn und verfärbte unsre Wangen;
Doch nur ein Punkt war‘s, welcher uns bewältigt.
Denn als wir, wie das langersehnte Lächeln
Von solchem Liebenden geküsst ward, lasen,
Da küsste, dem vereint ich ewig bleibe,
Am ganzen Leibe zitternd, mir den Mund.
Zum Kuppler ward das Buch und der‘s geschrieben.
An jenem Tage lasen wir nicht weiter.“

 

Der Ehebruch wird von Francescas Ehemann Gianciotto entdeckt, der daraufhin die beiden Liebenden in einem Akt grausamer Rache tötet.

Anselm Feuerbachs „Paolo und Francesca“

Anselm Feuerbach (1829-1880), Paolo und Francesca, 1864, Öl auf Leinwand, 137 x 99,5 cm, Inv. Nr. 11521

Zahlreiche Maler des 19. Jahrhunderts, von Jean-Auguste-Dominique Ingres über Ary Scheffer bis Dante Gabriel Rossetti, haben diese Geschichte dargestellt und als Motiv den Moment des Kusses gewählt, den die beiden Liebenden als Zeichen ihres Einverständnisses tauschen. Anselm Feuerbach dagegen wählt den Moment, der dem Kuss und dem Ausbruch der Leidenschaften vorausgeht.

Francesca und Paolo sitzen nahe beisammen an einem schattigen Platz im Garten, als sie ihre Zuneigung füreinander entdecken. Francesca hält den Kopf leicht geneigt und schaut auf das Buch in ihren Händen, während Paolo seinen rechten Arm bereits so hinter ihrem Rücken positioniert hat, dass er sie im nächsten Augenblick umarmen kann. Feuerbach inszeniert weniger die erotische Anziehungskraft zwischen den beiden Menschen als den Einklang ihrer Seelen, die über das gemeinsame Empfinden für das Sinnliche und Schöne zueinander gefunden haben.

Feuerbach hat die Begegnung zwischen Dante und Vergil und dem Liebespaar Francesca und Paolo auch in einem weiteren, einige Jahre früher entstandenen Gemälde unserer Sammlung dargestellt. Hier hat die Szene mehr illustrativen Charakter und zeigt das Geschehen so, wie es Dante im 5. Gesang des „Inferno“ schildert. Die Sünder im zweiten Kreis der Hölle werden dort als Schatten vom Wind umhergetrieben. Als ein Windhauch die beiden Liebenden nahe an die Wanderer heranführt, bittet Dante die junge Frau darum, ihre Geschichte zu erzählen.
 

Anselm Feuerbach (1829-1880), Dante und Vergil in der Unterwelt, 1857, Öl auf Leinwand, 95,6 x 118,1 cm, Inv. Nr. 9236

Feuerbach hat das Gemälde 1857 in Rom gemalt. Es gehört zu den frühen Werken des Künstlers, der sich ab 1855 in Italien mit den Themen aus der italienischen Literatur- und Kulturgeschichte zu beschäftigen begann und 1858 mit „Dante und die schönen Frauen von Ravenna“ (Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle) eines seiner ersten Hauptwerke schuf.

Dante und Petrarca in Gemälden der Sammlung Schack

Anselm Feuerbach (1829-1880), Laura in der Kirche, 1865, Öl auf Leinwand, 163 x 200 cm, Inv. Nr. 11522

Das Gemälde „Paolo und Francesca“ entstand 1865 im Auftrag des Münchner Sammlers Adolf Friedrich von Schack, mit dem Feuerbach seit 1862 in Verbindung stand. Schack, der 1851 seine Laufbahn als Diplomat im preußischen Staatsdienst aufgegeben hatte und nach München übergesiedelt war, zeigte sich an der italienischen Kultur- und Literaturgeschichte sehr interessiert. Er verbrachte viel Zeit auf Reisen in Italien und erwog später sogar, seinen Wohnsitz von München nach Rom zu verlegen. Er verfasste selbst Gedichte, Epen und Schauspiele und wählte seine Stoffe häufig aus dem italienischen Mittelalter und der Renaissance. Dante und Petrarca gehörten zu den Dichtern, die er am meisten bewunderte. Zu Ehren von Dante schrieb Schack ein Gedicht, das in 202 Versen dessen Leben und Dichtungen Revue passieren lässt. Die Geschichte von Ugolino della Gherardesca, die Dante im „Inferno“ erzählt, wählte Schack als Thema seines ersten Schauspiels „Die Pisaner“ (1858).

Petrarca, den Schack als frühen Humanisten und Dichter des „Canzoniere“ verehrte, ist in einem weiteren Gemälde Feuerbachs dargestellt. Es zeigt die schicksalhafte Begegnung zwischen Petrarca und Laura, die er am Karfreitag des Jahres 1327 in der Kirche Sainte-Claire in Avignon zum ersten Mal sah. Die Leidenschaft für die verheiratete Frau machte Petrarca zum Dichter, der in Kanzonen und Sonetten der Sehnsucht und dem Schmerz der unerfüllten Liebe Ausdruck verlieh.  

Die Nobilitierung der Kunst

Anselm Feuerbach (1829-1880), Der Garten des Ariost, 1862, Öl auf Leinwand, 103,8 x 154 cm, Inv. Nr. 11523

Ein weiteres Gemälde Feuerbachs stellt Ludovico Ariosto dar, den berühmten Autor des „Orlando furioso“, einer von Witz und verwegenen Einfällen geprägten Versdichtung in der Art mittelalterlichen Heldenepen. Der Dichter wandelt, einem Herrscher gleich und umgeben von schönen Frauen, im Garten einer Villa und verkörpert so das hohe Ansehen der Poesie und der Künste im Italien der Renaissance.

Ariost war wie Dante von der Förderung durch Mäzene und Auftraggeber abhängig. Bei Dante waren es die Scala in Verona und Guido Novello da Polenta in Ravenna, bei Ariost Ippolito und Alfonso d’Este, die dem Dichter Pfründen und Anstellungen am Hof verschafften und ihm so eine Existenzmöglichkeit boten. Auch Anselm Feuerbach, der sich zeitlebens schwer tat, Käufer für seine Bilder zu finden und sich verkannt fühlte, hoffte auf einen Mäzen, der seinen künstlerischen Rang erkannte und ihm eine sorgenfreie Existenz ermöglichte. Durch den Ankauf von insgesamt elf Gemälden sicherte Schack dem Maler über mehrere Jahre hinweg ein Auskommen. 1868 kam es jedoch zum Bruch, weil Feuerbach überzogene Forderungen stellte, auf die der Sammler nicht mehr eingehen wollte.  

 

Dr. Herbert W. Rott, Sammlungsleiter Malerei und Skulptur der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Hausreferent der Sammlung Schack