21. August 2017: #SunflowersLive auf Facebook

"Sonnenblumen" in der Neuen Pinakothek

#SunflowersLive aus der Neuen Pinakothek

Autoren: Amelie Sittenauer, Antje Lange

Vielleicht hat man sie schon einmal im Original bewundert; in der National Gallery in London zum Beispiel, dem Van Gogh Museum in Amsterdam oder hier bei uns, in der Neuen Pinakothek in München. Es sind wohl die berühmtesten Blumengemälde der Welt: Die leuchtend gelben Sonnenblumen Vincent van Goghs. Aus einer farbig unterteilten, ovalen Vase ragen sie heraus: 12 Sonnenblumen, die einen nur noch getrocknete Blütenkörbe, manch andere leicht welkend, wieder andere in strahlend gelber Blütenpracht nach oben strebend. Gemeinsam ergeben sie eine Variation von unnachahmbaren Gelbtönen, die sich in einem spannungsgeladenen Kontrast zu den grünen Blättern und dem türkisfarbenen Hintergrund befinden. An der Vase erkennt man die geschwungene Signatur des Künstlers: Vincent. Nach über 100 Jahren hat das Gemälde im Saal 21 der Neuen Pinakothek nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Digital lassen sich die "Sonnenblumen" in unserer Online-Sammlung wiederfinden. 

Jene Sonnenblumen entstanden im Sommer 1888 und 1889 im südfranzösischen Arles. Der 35-jährige Vincent wurde vom Wind an der vorgesehenen Freilichtmalerei gehindert, und verbrachte die Woche, auf seinen Malerfreund Paul Gauguin wartend, mit einem Strauß Sonnenblumen in seinem Mietshaus. „Ein Dutzend Tafeln“ und „eine Symphonie aus Blau und Gelb“ würde es geben, schrieb der Maler damals seinem Bruder Theo in Paris. Am Ende wurden es sieben Stück der heute weltberühmten Stillleben. Unter Künstlerkollegen zwar geschätzt, konnten die Reihe zu Van Goghs Lebzeiten aber nicht verkauft werden. Erst durch die Witwe seines Bruders Theo fanden die Bilder langsam neue Besitzer.

"Sonnenblumen" weltweit

Neben dem Münchner „Sonnenblumen“-Bild befinden sich heute noch vier weitere Werke im Besitz von Museen rund um den Globus. Ein Gemälde ist außerdem in Privatbesitz, während das Siebte nur als Fotografie überliefert ist. Es wurde im Zweiten Weltkrieg durch ein Feuer zerstört. Jedes dieser Gemälde hat seine Besonderheiten, ob im Farbton oder im Motiv, und auch eine eigene Geschichte, wie es dorthin gelangte, wo es heute ist. Diese Geschichten sollten nun mit #SunflowersLive auf innovative und vor allem digitale Weise erzählt werden: Zusammen und über physische Barrieren hinweg von der National Gallery in London, der Neuen Pinakothek in München, dem Philadelphia Museum of Art, dem Seiji Togo Memorial Sompo Japan Nipponkoa Museum of Art in Tokio und dem Van Gogh Museum in Amsterdam.

Mit dicken Pinselstrichen und viel Farbe arbeitete Van Gogh an seinen „Sonnenblumen“. Für die Betrachter eine Augenweide, für Konservatoren aber auch der Grund, weshalb die fünf Bilder außerhalb der digitalen Welt wohl nie gemeinsam zu sehen sein werden. Die dick aufgetragene Farbe macht die Gemälde fragil, Transporte werden vermieden. Die Originale sind demnach unverrückbar, trotzdem existiert ihr Abbild überall. Tausende Fotos im Internet, Van Goghs „Sonnenblumen“ begegnen uns auf Regenschirmen, T-Shirts und auf Kaffeetassen. Für Fans des Malers findet sich ein kompletter Hausstand zum Kauf. Museen spielen mittlerweile bei der Verbreitung von berühmten Kunstwerken oftmals eine kleine Rolle. Sie sind der Ort, an dem jenes Stück Leinwand seinen Platz hat, vor dem Vincent van Gogh vor 129 Jahren stand und die Ölfarbe aufbrachte. Der Ort des Originals, an dem sich die Wirkung der „Sonnenblumen“ am stärksten entfaltet. Aber sie sind nicht mehr exklusiv der Ort, an dem Menschen den Werken begegnen, und nicht mehr per se der Ort, an dem Interesse an einem Kunstwerk geweckt wird. Die kommerzielle Reproduktion von Meisterwerken als Marketingobjekt oder das Instagram-Bild der Freunde kommt ihnen heutzutage meist zuvor.

Die Absicht hinter einer Aktion wie #SunflowersLive ist es daher, dem Werk auch ausgehend vom Museum einen Platz in der digitalen Welt zu geben. Über alle Ländergrenzen und Zeitzonen hinweg ermöglichten die Livestreams von #SunflowersLive eine gezielte Kunstvermittlung im digitalen Raum für ein ansonsten recht scheues Museumspublikum.

Die "Sonnenblumen" können ab sofort dauerhaft in einem virtuellen, dreidimensionalen Ausstellungsraum online auf einer Microsite zur Aktion besichtigt werden, der es erlaubt, alle fünf Bilder nebeneinander zu sehen und ihre Unterschiede kennenzulernen, ohne extra nach Philadelphia, Tokio, London, Amsterdam oder auch München reisen zu müssen. Am 14. August 2017 konnte man alle fünf Bilder hintereinander in mehreren 15-minütigen Kurzführungen live auf Facebook anschauen, Kuratorinnen und Kuratoren aus jedem teilnehmenden Museum moderierten und lieferten den Zuschauerinnen und Zuschauern interessantes Hintergrundwissen rund um die Entstehung und Bedeutung der „Sonnenblumen“. Über 2,5 Millionen Menschen wurden allein mit unserem Beitrag aus München bisher auf Facebook erreicht. Es war die erste Kooperation internationaler Museen dieser Art und gibt einen Ausblick in die Zukunft der Museumsarbeit.

#SunflowersLive aus der Neuen Pinakothek, München

Digitale Kunstvermittlung

Eine wichtige Aufgabe von Museen ist neben der Bewahrung von Kunstwerken eben auch deren Vermittlung, die vor dem digitalen Raum und dem gesellschaftlichen Wandel nicht Halt machen darf und kann. Alle Bevölkerungsgruppen, auch die digitalen Besucherinnen und Besucher auf den Websites und den sozialen Kanälen, haben ein Recht auf einen Zugang zu den jeweiligen  Sammlungsbeständen. Die Neue Pinakothek folgt mit #SunflowersLive daher konsequent dem Leitspruch „Originale erleben“ der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: Das Ziel ist nicht der Ersatz des Originals im Digitalisat, eine Feier des Abbilds, sondern vielmehr eine Erweiterung des Werks und seines Bewusstseins im digitalen Raum für ein neues Publikum. Die Aufmerksamkeit für das Original sichert Nachhaltigkeit in Zeiten des Wandels.