Vitrinenstück (4 tlg.) (M+)

Sigmar Polke

Vitrinenstück (4 tlg.), 1966

Velour, Nessel, Stoff, 110 x 30 x 11

Inv. Nr. WAF PF 42 A-E

© The Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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Vitrinenstück (4 tlg.)

Wie in einem Völkerkundemuseum das Wesen fremder Kulturen durch akribisch zusammen gestellte Belegstücke, dokumentarische Interviews und erläuternde Schrifttafeln zu vermitteln versucht wird, so breitet Sigmar Polke in seinem „Vitrinen stück“ Objekte aus, die Rückschlüsse auf Leben und Tätigkeit des Malers erlauben, die der Öffentlichkeit üblicherweise nicht zugänglich sind.
Zusammen mit Hinweisen zu seiner Entstehungsgeschichte wird ein Bild mit zwei Flamingos gezeigt. Polke hatte offensichtlich geglaubt, in einer Zeit ohne Auftraggeber zu arbeiten und deswegen frei eigenen Eingebungen folgen zu können. Seine bescheidene Absicht, einen Blumenstrauß zu malen, wurde ihm allerdings – dies erläutern die Lettern auf dem Pamphlet links – von höheren Wesen verunmöglicht. Sie befahlen derart energisch die Ausführung von Flamingos, dass sich Polke ihnen nicht widersetzen konnte. Polke ironisiert hier das Abhängigkeitsverhältnis des Künstlers von Auftraggebern oder Preisrichtern ebenso wie den Subjektivitätskult. Er nimmt den trivialen Wunsch nach dem beschaulichen Bild ebenso aufs Korn wie das Bedürfnis nach Erhabenheit,
und er hinterfragt mit pikant ausgespielter, kindlich-naiver Unbefangenheit gleichermaßen die Hoffnung auf Verstehen durch Analyse und Dokumentation wie das selbstverständliche Anerkennen sakrosankter Vorgaben. Kaum zufällig wird daher in „Vitrinenstück“ die sachliche Dokumentation zur Geschichte der Malerei mit der (brüchig gewordenen) Pathosformel des Triptychons verbunden.
Schaut man sich die Gegenstände in der altarartig vor der Mitteltafel platzierten Vitrine an, so löst sich das Entweder-oder von Sachlichkeit und Pathos als herzergreifend unsinnig auf. Neben den Resten eines auf höheren Befehl zerstörten Bildes sind unter anderem geköpfte Streichhölzer, zwei Untertassen und Erbsen zu sehen. Sie wirken wie Reliquien, die Polke als Beweisstücke seiner Heimsuchung durch höhere Wesen dem Betrachter vorlegt, um ihm die Deutung dieser Begegnung abzufordern.

Sigmar Polke (1941 ‐ 2010)

Leben und Werk

Der 1941 in Oels/Niederschlesien geborene deutsche Künstler Sigmar Polke studierte Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Zusammen mit seinen Kollegen Gerhard Richter und Konrad Fischer-Lueg erfand er in den 1960er Jahren den Kapitalistischen Realismus, eine europäische Reaktion auf die amerikanische Pop Art. Der international angesehene Künstler verstarb im Juni 2010.

Polkes selbständiges Werk war geprägt von experimentellen Maltechniken und einem breiten Spektrum künstlerischer Medien. Inhaltlich ging es Polke stets um subversive Formen des Humors, die oft gesellschaftskritisch sind, aber auch von Selbstironie zeugen.
Die Bandbreite künstlerischer Medien und Techniken, die Polkes Werk kennzeichnet, lässt sich anhand der etwa 15 Werke in der Sammlung Brandhorst nachvollziehen. Angefangen bei dem kleinen intimen Format des Ölbildes Goethes Werke von 1963, über das monumentale und kämpferische Liberté, Egalité, Fraternité (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) (1988) bis zum teils gedruckten, teils gemalten Meisterwerk mittleren Formats, Die drei Lügen der Malerei (1994), umspannt die Sammlung Brandhorst Polkes gesamtes Schaffen.

Sigmar Polke

Die drei Lügen der Malerei, 1994

Kunstharz und Lack auf Polyestergewebe, teils bedruckt, 300 x 400 cm

Inv. Nr. UAB 350

© The Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Foto: Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

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Sigmar Polke

Doppelporträt Fabiola, 1964

Leinwand, 200 x 85,5 cm

Inv. Nr. 14595

© The Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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Sigmar Polke

Experientia/Solertia, 1986

Leinwand, Lack, 200 x 190 cm

Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, München
© The Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2017

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Sigmar Polke

Experientia/Solertia, 1986

Silver oxide, aluminium and graphite powder, resin on cotton fabric, 190 x 200 cm
Acquired in 1992 with support by PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne.

Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sammlung Moderne Kunst at the Pinakothek der Moderne
© The Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2017

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