Das Ende des 20. Jahrhunderts

Joseph Beuys

Das Ende des 20. Jahrhunderts, 1983

44 Basaltsteine, Ton, Filz, ca. 48 x 150 x 40 cm
1984 erworben von PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne für die Sammlung Moderne Kunst
Inv. Nr. GV 81

© VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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Das Ende des 20. Jahrhunderts

„Das ist das Ende des 20. Jahrhunderts“, äußerte Joseph Beuys 1983 in München über seine gleichnamige Installation, „das ist die alte Welt, der ich den Stempel der neuen Welt aufdrücke.“ Die Plastik ist aus 44 Steinen aufgebaut, die der Künstler im Innern eines erloschenen Vulkans nahe Kassel abtragen ließ. Dieser über Jahrhunderte gewachsenen „alten Welt“ hat Beuys den Stempel der neuen aufgedrückt, indem er aus dem dichten und harten Material an jedem Säulenende einen kegelförmigen Kern herauslösen ließ. In die entstandenen Löcher setzte er anschließend die abgeschliffenen Stöpsel wieder ein und erzeugte damit einen Kontrast zwischen gewachsener und bewusst hergestellter Form, zwischen Natur und Ratio, der zugleich als Dialog zwischen „alt“ und „neu“ gelesen werden kann. Darüber hinaus hat der Künstler unter jedem Kegel eine kleine, ursprünglich feuchte Tonkugel sowie ein Stück Filz eingebettet, sodass sich die Stöpsel, wie Beuys formulierte, „nicht weh tun und es warm haben.“ Herstellungsweise und Gestalt der Arbeit behandeln offenbar ein vielschichtiges menschliches Dilemma: einerseits die respektvolle Einsicht in die Natur, andererseits ihre mit Verletzungen einhergehende Nutzung oder Ausbeutung. Um seine Arbeit verwirklichen zu können, griff Beuys in den Steinbruch ein und verletzte die gegebene Oberflächenstruktur der Basaltsäulen. Mit dem anschließenden Arbeitsschritt bezeugte er jedoch sein Bedürfnis, die selbst hergestellten Verwundungen wieder zu heilen. Die aufeinander folgenden Handlungen lesen sich letztlich wie eine Beschreibung der alten und zugleich der neuen Conditio humana, denn nie zuvor wurden Berechtigung und Konsequenz der Aneignung der Natur so nachhaltig diskutiert wie am Ende des 20. Jahrhunderts.  

Joseph Beuys (1921 ‐ 1986)

Leben und Werk

Joseph Beuys gilt als einer der bedeutendsten deutschen Künstler der Nachkriegszeit und genießt internationales Renommee. Sein Werk strebt nach einer „Erweiterung des Kunstbegriffs“, ein Postulat, unter dem er eine Loslösung von traditionell geprägten formal-ästhetischen Gesichtspunkten hin zu einer anthropologischen Kunst versteht. Damit verbindet sich auch das Konzept der „sozialen Plastik“, eine Vorstellung, der zufolge jeder Mensch als ein Künstler durch bewusstes und gezieltes Handeln einen individuellen Beitrag leisten kann, gesellschaftliche Strukturen und damit die Welt zu verändern. Seine vielschichtig angelegten Arbeiten sind konzeptionelle Visualisierungen komplexer Gedankenstrukturen und stellen nicht selten Vorarbeiten und Relikte performativer Aktionen dar. Beuys´ Kunstverständnis ist geprägt von einer tief empfundenen Naturverbundenheit, die sich unter anderem in der Einbeziehung erhabener, ursprünglicher Mythen zeigt. Weiterhin sind sie eine Reflektion über physikalische Prozesse und den Eigenschaften der von ihm verwendeten Materialien.

Joseph Beuys

Capri-Batterie, 1985

Glühbirne mit Steckerfassung, in Holzkiste, Zitrone, Aufl.: 200 + einige a.p., 8 x 11 x 6 cm

© VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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