Anselm Feuerbach
Paolo und Francesca, 1864
Öl auf Leinwand, 137,0 x 99,5 cm
Inv. Nr. 11521
Paolo und Francesca
In Dantes Divina Commedia treffen die Jenseitswanderer Dante und Vergil im zweiten Kreis der Hölle, wo die Wollüstigen büßen, auf die Schatten der Francesca da Rimini und ihres Schwagers Paolo Malatesta. Die beiden hatten in einem der populären Artusromane von der unrechtmäßigen Liebe Lancelots zu Ginevra gelesen und dabei ihre gegenseitige Zuneigung entdeckt. Giociotto Malatesta, der Bruder Paolos und Ehemann Francescas, hat den Ehebruch entdeckt und die beiden Liebenden getötet. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigten sich zahlreiche Künstler, darunter auch Delacroix und Ingres, mit der von Dante im fünften Gesang des Inferno erzählten Lese- und Liebesszene. Feuerbach weicht in seiner Komposition von der traditionellen Ikonographie ab. Er zeigt nicht den Moment der Untreue, den Kuss oder die Entdeckung durch den betrogenen Ehemann, sondern den intimen Augenblick der gemeinsamen Lektüre und damit das zeitlose Bild vertrauter Innigkeit und Liebe.
Feuerbach löste sich in seiner Darstellung bewusst vom literarischen Vorbild, da er sein Gemälde als originäre Schöpfung und nicht als bloße Illustration des Epos verstand. Auch Graf Schack würdigte das Werk, indem er gerade in der edlen Schlichtheit die Größe der Darstellung erkannte: „Die Komposition gehört zu den besten von Feuerbach. Ich habe wohl sagen hören, Francesca sei nicht mit der für die Situation nötigen Leidenschaft geschildert. […] Ich bin der Ansicht, dass er gerade so viel dramatisches Leben in seine Darstellung gebracht hat, als solches mit der Schönheit vereinbar ist.“