Ostende (M+)

Ostende

In diesem Spätwerk, das 1844 in der Londoner Royal Academy ausgestellt und dort von der Kritik lobend beurteilt wurde, fasste Turner bis in das Jahr 1805 zurückreichende Aufzeichnungen aus seinen Skizzenbüchern zusammen.

Das Bild zeigt die von zwei Mauern geschützte Einfahrt in den Hafen von Ostende. Der Realismus, mit dem Turner atmosphärisch und gegenständlich Bewegung und Gegenbewegung erfasst hat, das Miteinander von Sturm und Seegang, Schiff und Mensch, lässt auf ein genaues Studium der Meeresküste wie der dort herrschenden Lebensverhältnisse und -bedingungen schließen. Dabei ist nicht zu verkennen, dass in den beiden im Hafen Zuflucht suchenden Booten eine Polarisierung des dramatischen Geschehens gegeben ist, die das ganze Bild durchzieht. Das gilt auch für die auf dem Pier stehenden Menschen, die eigentümlicherweise teils in Verzweiflung, teils in völliger Teilnahmslosigkeit charakterisiert sind.

Bedenkt man dabei Turners von Grund auf pessimistische Lebenseinstellung, die den Menschen rettungslos den Naturkräften ausgeliefert sieht, so liegt der Schluss nahe, dass Turner über das szenische Motiv hinaus, wie so oft, dem Bild einen tieferen Sinn unterlegen wollte.

Joseph Mallord William Turner (1775 ‐ 1851)

Leben und Werk

Geboren am 23. April 1775 in London, gestorben am 19. Dezember 1851 in Chelsea. Turner, der seit 1789 an der Royal Academy studierte und wohl zur gleichen Zeit eine Ausbildung bei Thomas Malton d. J. absolvierte, stellte schon 1790 seine ersten Aquarelle in der Royal Academy aus. Seit 1796 fast jährlich dort vertreten, wurde er 1802 zum Mitglied der Royal Academy ernannt und 1807 Professor für Perspektivlehre. Seine erste Reise auf den Kontinent galt Frankreich und der Schweiz; weitere Studienreisen durch Europa führten ihn bis 1845 wiederholt nach Venedig, Rotterdam, an den Rhein und nach München. 1807 begann Turner mit der Veröffentlichung seines Stichwerks »Liber Studiorum«. Turner verarbeitete seine Reiseskizzen zu immer neuen Visionen, wobei er häufig neue Techniken für sich erprobte. Vom Gegenstand weitgehend gelöst, spürt sein durchaus malerischer Stil ganz der einhüllenden Atmosphäre des Lichts nach. Empfindsam für die Symptome seiner eigenen Zeit, verband er in seinen Bildschöpfungen die Traditionen antiker wie nationaler Thematik.