Anne-Marie-Louise Thélusson, Comtesse de Sorcy (M+)

Anne-Marie-Louise Thélusson, Comtesse de Sorcy

Das im Jahr nach dem Ausbruch der Revolution gemalte Porträt der Anne-Marie-Louise Thélusson, Comtesse de Sorcy, steht repräsentativ für den von David schon vor der Revolution entwickelten Typus der ungezwungenen intimen Porträtdarstellung. David setzt sich hier erstmals mit dem Kniestück auseinander und verzichtet völlig auf die üblichen Floskeln des Interieurs und des Kostüms.

Die Dargestellte orientiert sich modisch bereits an der Mode der Revolution. Sie trägt ein weißes Kleid mit einer orangefarbenen Schärpe, die aber nur ganz versteckt zu sehen ist. Es wird bewusst auf Korsett und Reifrock verzichtet. Die Frisur ist vollkommen natürlich gegeben. Das eigentlich Revolutionäre an diesem Bild ist der graue Hintergrund, vor den die Gräfin im Armlehnstuhl platziert ist - ein Hintergrund, der von M. Bleyl treffend als "ästhetisches frottis" bezeichnet wird und fortan charakteristisch für die Bildnisse des Künstlers werden sollte.

Die Dargestellte stammte aus der reichen, in Paris lebenden Schweizer Bankiersfamilie Rilliet und hatte 1787 im Alter von siebzehn Jahren Jean-Isaac Thélusson, Comte de Sorcy, geheiratet, der ebenfalls aus einer Schweizer Bankiersfamilie stammte, aber die militärische Laufbahn eingeschlagen hatte. Die Familie Thélusson hat viele berühmte Künstler wie Rigaud oder Liotard beschäftigt, und der Architekt Ledoux erbaute ihr Stadtpalais. Erst seit 1782 war es diesen protestantischen Familien erlaubt, Grundbesitz in Frankreich zu erwerben und die damit verbundenen Titel zu führen.

Jacques-Louis David (1748 ‐ 1825)

Leben und Werk

Geboren am 30. August 1748 in Paris, gestorben am 29. Dezember 1825 in Brüssel. - Zunächst wegen seiner zeichnerischen Begabung zum Architekten bestimmt, entschied sich David schließlich für die Malerei. 1766 wurde er Schüler von Joseph-Marie Vien an der Académie de Peinture et de Sculpture in Paris. Mit dem Rom-Preis ausgezeichnet, studierte er von 1775 bis 1780 an der Villa Medici. Die Begegnung mit Italien, vor allem der Bologneser Malerei und den Caravaggisten, ließ ihn eine Erneuerung der Kunst in einem archäologisch begründeten Klassizismus anstreben. 1783 wurde er in die Pariser Akademie aufgenommen und erhielt eine Wohnung im Louvre; 1804 schließlich ernannte ihn Napoleon zum Hofmaler. Neben Porträts, die zugunsten der Natürlichkeit zunehmend auf Idealisierung verzichten, malte David vorzugsweise in monumentalen Formaten Themen der römisch-republikanischen Zeit; diese weisen ihn als einen Vorkämpfer für die Ideen der Französischen Revolution aus.