Die Testamentseröffnung (M+)

Die Testamentseröffnung

Dieses schon zur Entstehungszeit berühmte Bild zeigt Wilkies malerisches Talent wie zugleich seine Begabung zu pointiert erzählender Gesellschaftskritik in Hogarths Nachfolge auf hervorragende Weise. Dem Bildinhalt liegt ein Vorschlag des englischen Komikers Bannister zu Grunde. Zudem wurde Wilkie durch die Lektüre des Romans "Guy Mannering" von Walter Scott angeregt, wo sich nach der Beerdigung der Lady Singleside eine ähnliche Szene abspielt: Im Arbeitszimmer des Verblichenen, den man im Porträt an der Wand über dem Notar erkennen kann, ist die Verlesung des Testaments in Anwesenheit der Erben und deren unterschiedliche Reaktionen geschildert. Wilkie hat nach eigener Aussage die Vielzahl der Personen vorher mit Modellfigürchen gestellt, wie es seiner Meinung nach die venezianischen Maler und die alten Niederländer getan haben. Insbesondere die leuchtenden Farblasuren, die an Wilkies Studium von Rubens gemahnen, aber auch die treffenden Personencharakterisierungen nach dem Vorbild der Holländer zeigen die Bedeutung dieses Einflussbereichs.

Wilkies künstlerische Stellung schon zu Lebzeiten äußert sich nicht zuletzt in dem ausdrücklichen Wunsch König Max I. Josephs von Bayern, von dem damals begehrtesten Genremaler Englands ein Bild zu besitzen. Das auf der Londoner Akademieausstellung gezeigte und allenthalben gefeierte Gemälde hatte auch das Interesse von Georg IV. gefunden. Wilkie fühlte sich aber dem Auftrag des bayerischen Königs verpflichtet, in dessen "chambre à coucher" es hing, "où tout le monde admire le tableau".

David Wilkie (1785 ‐ 1841)

Leben und Werk

Geboren am 18. November 1785 in Cults (Fiteshire/ Schottland), gestorben am 1. Juni 1841 auf See bei Gibraltar. Nach Studienjahren an der Trustees Academy in Edinburgh seit 1799 wechselte Wilkie 1805 an die Royal Academy nach London. Seit 1806 wandte er sich verstärkt der Genremalerei mit Szenen aus dem schottischen Landleben zu, wobei er sich stilistisch an der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts orientierte; in späteren Jahren nahm er die Bildnis- und Landschaftsmalerei wieder auf. 1809 wurde er assoziiertes, 1811 Vollmitglied der Royal Academy. Reisen führten ihn nach Paris, Holland, Italien, Deutschland, Spanien und in die Schweiz. 1830 wurde er zum Painter in Ordinary of the King ernannt. Wilkie starb während der Rückkehr von einer Orientreise.