20.01.2020: Van Dyck der Unternehmer

Abb. 1: Anthonis van Dyck, Selbstbildnis, um 1620/21 und 1627, Öl auf Leinwand, 81,5 x 69,8 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 405

Rückkehr aus Italien

Unsere Van Dyck-Ausstellung läuft nur noch 11 Tage – ein Grund, euch noch einmal am Mittwoch um 14 Uhr eine Führung aus erster Hand anzubieten, bei der euch das für die Ausstellung verantwortliche Team auch eine der zentralen Fragen der Ausstellung erläutern wird: Wie unterscheidet man ein Bild, das von Van Dyck allein gemalt wurde von einem, bei dem seine Werkstattmitarbeiter Hand angelegt haben?

Ein Aspekt von Van Dycks Oeuvre, den wir euch mit der Ausstellung zeigen wollen, ist nämlich, dass Van Dyck ja nicht nur ein fantastischer Maler war, sondern auch ein erfolgreicher Unternehmer, der einer großen Werkstatt vorstand und bewusste Marketingstrategien einsetzte, um seinen Ruf zu verbreiten. Während wir darüber wenig schriftliche Zeugnisse haben, verrät uns sein Oeuvre viel über seine Umtriebigkeit als Unternehmer: So machte sich Van Dyck direkt nach seiner Rückkehr aus Italien nach Antwerpen 1627 daran, ein Selbstbildnis von sich so umzuarbeiten, dass es als Eigenwerbung auf das Antwerpener Publikum wirken sollte (Abb. 1). Die Übernahmen aus der italienischen Malerei wie die reduzierte Farbpalette, die auf dem linken Arm ruhende rechte Hand und der große gebauschte Ärmel sollten potentiellen Auftraggebern zeigen, dass Van Dyck nun im italienischen Stil porträtierte. Auch fügte er die Ehrenkette, die ihm der Herzog von Mantua als Auszeichnung für sein Können verliehen hatte und die im Bild golden aus der schwarzen Kleidung hervorblitzt, natürlich als eine Art Gütesiegel seines Könnens in das Porträt ein.

Und tatsächlich nahm Van Dycks ohnehin bereits erfolgreiche Karriere mit seiner Rückkehr aus Italien im Sommer 1627 noch mehr Fahrt auf: Einige seiner berühmtesten Ganzfigurenporträts entstanden jetzt; umgehend verbreitete sich sein Ruhm, und nicht nur die Antwerpener Patrizier, sondern auch  Fürsten, Heerführer und andere wichtige Persönlichkeiten wollten von ihm gemalt werden. Unsere gemäldetechnologischen Untersuchungen im Vorfeld der Ausstellung haben bestätigt, dass Van Dyck nun mehrere Mitarbeiter beschäftigt haben muss, um der überwältigenden Nachfrage nach „einem Van Dyck“ gerecht zu werden.

Abb. 2: Anthonis van Dyck (Werkstatt), Bildnis eines Mannes, um 1630, Öl auf Leinwand, 204,5 x 121,5 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 369

Werkstatt Produktion: Bildnis eines Mannes

Ein schönes Beispiel für einen unserer Funde sind die beiden Porträts einer unbekannten Dame und eines unbekannten Herrn (Abb. 2 und 3), die technisch weniger brillant gemalt sind als beispielsweise die Porträts von Sebilla vanden Berghe und Filips Godines. An einem Screen in der Ausstellung zeigen wir euch im Detail, was alles dafürspricht, dass die beiden Bilder von Werkstattmitarbeitern angefertigt worden sind. Hier könnt ihr selbst zu Van Dyck-Experten werden und lernen, wie man einen echten Van Dyck von einem Werk seiner Mitarbeiter unterscheidet: Die in der Wiedergabe von Details unpräzisere Malweise, aber auch die von uns unter der Malschicht entdeckten hellen Flächen unter den Gesichtern deuten darauf hin, dass Van Dycks Werkstatt Bilder, in denen die Gewänder und Hände bereits ausgeführt waren, auf Vorrat hielt, um dann später für „Laufkundschaft“ die Konterfeis einzufügen.

Abb. 3: Anthonis van Dyck (Werkstatt), Bildnis einer Frau, um 1630, Öl auf Leinwand, 205,4 x 122,0 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 368

Werkstatt Produktion: Bildnis einer Frau

Das Metropolitan Museum in New York hat uns freundlicherweise dazu eine Skizze geschickt, die dasselbe Gewand und die Haltung der Figur der unbekannten Dame zeigt. Wir glauben, es handelt sich hierbei um eine Modellskizze (also keine Vorzeichnung), die die Werkstattmitarbeiter hervorholten, wenn sie wieder ein solches Ganzfigurenporträt auf Vorrat anlegen wollten. Hierfür spricht auch, dass es Ganzfigurenporträts von Van Dycks Werkstatt gibt, die ein ähnliches Gewand und eine ähnliche Haltung der Figur aufweisen. Es gab in Van Dycks Werkstatt also offenbar ein festes Formenrepertoire, das schnelles, effizientes Arbeiten ermöglichte!

Produktionsprozess in Van Dycks Werkstatt

Abb. 4: Anthonis van Dyck (Werkstatt), Zehn Grisailleskizzen für die Ikonographie, um 1629-1634, Öl auf Eichenholz, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Staatsgalerie Neuburg an der Donau

1: Maria de‘ Medici, 2: Cesare Alessandro Scaglia, 3: Jean de T’Serclaes von Tilly, 4: Francois Thomas von Savoyen-Carignan, 5: Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, gen. Wallenstein, 6: Margarethe von Lothringen, 7: Palamedes Palamedesz, 8: Lucas van Uden, 9: Gustav II. Adolf von Schweden, 10: Johann VIII. Von Nassau-Siegen

Besonders offensichtlich wird der arbeitsteilig organisierte Produktionsprozess in Van Dycks Werkstatt auch in seinem groß angelegten Projekt der „Ikonographie“ (Abb. 4) – eine Stichserie mit den Porträts berühmter Persönlichkeiten, ein ambitioniertes Projekt, mit dem Van Dyck vermutlich ebenfalls nach seiner Rückkehr aus Italien, um 1630, begann. Zusammen bildeten die Drucke eine Art „Wall of Fame“ der Zeit, in der Berühmtheiten wie Maria de‘ Medici, Königin von Frankreich, und auch Gustav II. Adolf von Schweden nicht fehlen durften, aber auch Künstlerkollegen wie der Schlachten- und Porträtmaler Palamedes Palamedesz sind vertreten und wurden durch die vornehme Umgebung, in der sie auftraten, hier sozusagen nobilitiert.

Zu der Serie haben wir in unserer Sammlung 10 Grisailleskizzen, also gemalte oder gezeichnete Studien in Grau­ oder Brauntönen, denen wiederum häufig Porträts von Van Dyck zugrunde lagen. Obwohl sie malerisch aufgrund ihrer – im Vergleich zu Originalen von Van Dyck – schwächeren Qualität nicht so überzeugend sind, zeigen wir sie in der Ausstellung, weil sie demonstrieren, dass Van Dyck mehrere Mitarbeiter gleichzeitig in seiner Werkstatt beschäftigt haben muss: Die Grisaillen unterscheiden sich stilistisch zum Teil deutlich voneinander. Aber dass alle Dargestellten als Halbfiguren wiedergegeben sind, mit einem festen Repertoire an Posen, Gesten und Attributen, beweist, dass Van Dycks Mitarbeiter, trotz ihrer individuellen Handschriften, ein einheitliches Erscheinungsbild anstrebten, also um eine Art Marke bemüht waren.

Die „Ikonographie“ ist auch ein Beweis für Van Dycks Geschicklichkeit als Unternehmer. Schließlich war die Reproduktionsgrafik ein geeignetes Mittel, um für die weite Verbreitung seines Werkes zu sorgen und seine Bekanntheit zu steigern: Die Stiche konnte man beliebig vervielfältigen und sie waren auch für kleinere Geldbörsen erschwinglich. Auch färbte die Berühmtheit der Dargestellten auf Van Dyck ab, da die Drucke suggerierten, dass Van Dyck all diese Stars seiner Zeit persönlich kennengelernt haben muss und sie ihm ihre Zeit und Anerkennung geschenkt hatten, als sie sich von ihm hatten porträtieren lassen.

Autorin: Julia Thoma, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Kuratorenführung am MI 22.01.20, 14 Uhr

Am Mittwoch um 14 Uhr geben euch Mirjam Neumeister und Jan Schmidt, die als Kunsthistorikerin und als Restaurator verantwortlich für das Forschungsprojekt waren, weitere Einblicke in die zentrale Frage unserer Ausstellung: Eigenhändig oder Werkstatt? Zusammen mit eurem Eintritt für die Ausstellung könnt ihr am Mittwoch für 3 EUR eure Teilnahme an der Führung sichern, wir freuen uns auf euch!