13.01.2020: Van Dycks Studienköpfe

Copy-Paste à la Van Dyck: Die Studienköpfe

Am kommenden Mittwochabend, den 15. Januar um 18.30 Uhr, bekommen wir Besuch von Nico Van Hout, Sammlungsleiter und Kurator für Gemälde des 17. Jahrhunderts am Koninklijk Museum voor Schone Kunsten (KMSKA) in Antwerpen. Ihr seid herzlich eingeladen, mit uns zusammen im Rubenssaal der Alten Pinakothek seinen Vortrag zu erleben. Passend zu einem Schwerpunkt unserer Ausstellung – den Studienköpfen Van Dycks – wird uns Van Hout Einblicke in seine wegweisenden Forschungsarbeiten zu diesem spannenden Thema in Van Dycks Frühwerk geben.

Gleich im ersten Saal unserer Ausstellung könnt ihr euch mit neun dieser kunsthistorisch aufschlussreichen Werke vertraut machen (Abb. 1 ), von denen fünf zu unserem Bestand gehören: Die fünf kleinen Formate zeigen jeweils einen Mann mittleren Alters mit leicht ergrauten Haaren vor einem dunklen Hintergrund. Einige haben Kinn- und Backenbärte, keiner ist glattrasiert. Mal tragen sie ein Hemd, mal eine Art Kutte. Einer schaut gespannt in die obere rechte Bildecke, die anderen wirken eher nachdenklich – einer scheint mit der Hand am Kinn zu grübeln.

Diese Studienköpfe sind heute für uns Gold wert, weil sie viel über die Werkstattpraxis und die Arbeitsweise Van Dycks verraten: Als er ab 1616 in Rubens’ Werkstatt arbeitete, wollte er ja zunächst Historienmaler werden und legte sich genau wie der große Meister ein Repertoire kleinformatiger Studien an, die verschiedene menschliche Typen und häufig auch, sichtbar gemacht mit expressiver Mimik, Gefühle darstellen.

Aus diesem Repertoire konnte er später für seine Historienszenen schöpfen, in die er die Köpfe gezielt einfügte. Er nutzte sie demnach als Vorlagen. Tatsächlich begegnen uns zahlreiche Männer, die wir aus Van Dycks Studienköpfen kennen, in seinen Historienbildern wieder. So tauchen sie zum Beispiel in den Aposteldarstellungen aus unseren Beständen wieder auf, die wir unmittelbar neben den Studienköpfen im ersten Saal der Ausstellung präsentieren.

Abb. 1: Anthonis van Dyck, Fünf Studienköpfe, um 1616/17, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Staatsgalerie Neuburg an der Donau
1: Studienkopf eines Mannes im Profil, nach rechts blickend, Öl auf Papier, auf Eichenholz geklebt, 75,0 x 41,1 cm, Inv. Nr. 1240
2: Studienkopf eines nach links unten blickenden Mannes, der sein Kinn in die Hand stützt, Öl auf Papier, auf Eichenholz geklebt, 56,9 x 41,5 cm, Inv. Nr. 1248
3: Studienkopf eines Mannes im Profil nach rechts, Öl auf Papier, auf Eichenholz geklebt, 57,0 x 41,5 cm, Inv. Nr. 1288
4: Studienkopf eines nach rechts unten blickenden Mannes, der sein Kinn in die Hand stützt, 56,8 x 41,3 cm, Inv. Nr. 1316
5: Studienkopf eines Mannes im Dreiviertelprofil, nach unten rechts blickend, Öl auf Papier, auf Eichenholz geklebt, 57,0 x 41,3 cm, Inv. Nr. 4809

Zwei Studien eines bärtigen Mannes

Abb. 2: Anthonis van Dyck, Zwei Studien eines bärtigen Mannes, um 1616/17, Antwerpen, KBC Art Collection Belgium, Museum Snijders&Rockox House

Die fünf Studienköpfe, die zu unserem Bestand gehören, konnten wir eingehend im Vorfeld der Ausstellung untersuchen. Erstaunlich ist, dass die Werke auf den ersten Blick von eher mäßiger Qualität erscheinen. Das liegt aber daran, dass sie kurz nach Van Dycks Tod bearbeitet und teilweise übermalt wurden, um sie als autonome Kunstwerke für Sammler attraktiver zu machen: So hatte Van Dyck eigentlich meistens zwei Köpfe paarweise auf einen Bogen Papier gemalt, wie man in unserer Ausstellung sehr schön bei einer Leihgabe aus Antwerpen sehen kann (Abb. 2): Hier handelt es sich um einen solchen Papierbogen in seinem ursprünglichen Zustand. Heute unvorstellbar, ein Werk von Van Dyck auseinanderzuschneiden! Aber damit nicht genug, man klebte die Köpfe dann einzeln auf Eichenholztafeln und ergänzte sie, indem man allseitig Papierstreifen anfügte. Auf diesen sogenannten Anstückungen wurde dann die Darstellung einfach weitergemalt, sodass aus den Kopfstudien ganze Brustbilder entstanden!

Die Überarbeitungen haben natürlich Van Dycks individuelle Handschrift verwischt und die sichere Zuschreibung erschwert. Diese für uns heute vielleicht befremdlich wirkende Vorgehensweise hatte aber Erfolg und die „neuen“ Bilder erfreuten sich in der Tat bei Sammlern, besonders in Antwerpen, großer Beliebtheit. Unsere fünf Studienköpfe hängte sich Kurfürst Max Emanuel (1662–1726) sogar in das Bilderkabinett seines Prunkappartements in Schloss Schleißheim. Max Emanuel und seiner barocken Sammellust, mit der er viele unterschiedliche Werke eines Künstlers, mitunter auch solche, die wir heute als von geringerer Qualität erachten, ankaufte, ist es zu verdanken, dass wir diese Bilder heute in unserer Sammlung haben.

Tatsächlich könnt ihr in den originalen Partien unserer Studienköpfe, die wir auf den Screens im ersten Ausstellungssaal im Detail zeigen, noch die hohe Qualität, die sichere und freie Malweise von Van Dyck erkennen, die als Ausdruck künstlerischerer Spontaneität überzeugt. Auch erinnert uns dieses sorgfältig angelegte Repertoire, dass der Weg zur Historienmalerei für Van Dyck ein bewusst geplanter und sicherlich oft nicht einfacher war.  Wir freuen uns, wenn ihr nächsten Mittwoch dabei seid, wenn uns Nico Van Hout mehr über die Studienköpfe erzählt, die uns so viel über Van Dycks Arbeitsweise verraten!

Autorin: Julia Thoma, wissenschaftliche Mitarbeiterin