24.12.2019: Van Dyck: Über das Ausstellungskonzept

Ein Blick hinter die Kulissen: Unser Ausstellungskonzept

Die große Resonanz zu unserer Ausstellung macht klar: Viele Besucher freuen sich, dass wir Van Dyck in der Alten Pinakothek nun in einem anderen Licht als bisher üblich zeigen. Dabei geht es uns weniger um den Van Dyck, der als Hofmaler Karls I. von England mit seinen repräsentativen Porträts in die Kunstgeschichte einging. Vielmehr lenken wir eure Aufmerksamkeit auf Van Dyck als Historienmaler, auf seine produktive Werkstatt in Antwerpen, auf seine Erfahrungen in Italien, auf seine vielfältigen Arbeitsmethoden und auf seine gekonnte Selbstinszenierung.

Die Idee hierzu verdanken wir unter anderem unserem vielfältigen eigenen Van-Dyck-Bestand, den wir in der Alten Pinakothek und in unseren Staatsgalerien in Aschaffenburg, Neuburg und Schleißheim zeigen: Wir besitzen über 80 (!) Van Dyck, seiner Werkstatt und seinem Umkreis zugeschriebene Werke. Da lohnte es sich, genauer hin zu schauen: Unsere Van-Dyck-Sammlung deckt alle Genres ab, die Van Dyck beherrschte: Zum Beispiel mit dem hochkarätigen, in Italien entstandenen Historienbild „Susanna und die beiden Alten“, mehreren Fassungen des Heiligen Sebastian und den in Antwerpen geschaffenen, repräsentativen Porträts; auch besitzen wir einige Bildnisse, die Van Dyck von seinen Künstlerfreunden im privaten Kontext malte. Zum Bestand gehört auch Werkstattmaterial wie die Studienköpfe, die als Vorlage für manche Kompositionen dienten. Hinzu kommt ein beachtlicher Fundus an Werken, die von Van Dycks Werkstattmitarbeitern stammen – ein Glücksfall für den Besucher, da sie wertvolle Rückschlüsse zulassen auf die Arbeitsweise, die von Effizienz und Produktivität bestimmt ist. Besonders über Werkstattpraktiken der damaligen Zeit weiß man nach wie vor wenig, und auch zu Van Dycks Leben und Schaffen sind nur wenige schriftliche Quellen erhalten. Das war für uns ein Ansporn, den Kernbestand von 50 Werken, die Van Dyck selbst oder seiner engeren Werkstatt zugeschrieben sind, wissenschaftlich und gemäldetechnologisch zu untersuchen!

© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Lucie Boucek

Gemäldetechnologische Untersuchungen

Vier Jahre lang haben wir die Gemälde eingehend untersucht und dabei auch unter die sichtbare Oberfläche geschaut, da wir das große Glück haben, dass unter unserem Dach auch das Doerner Institut beheimatet ist: Es betreut konservatorisch unsere großen Bestände, widmet sich aber auch der kunsttechnologischen Erforschung historischer Techniken und Materialien. Somit konnte sich ein Forschungsteam bilden, das kunsthistorische, restauratorische und naturwissenschaftliche Fachexpertise zusammenführt. Röntgenbilder und Infrarotreflektogramme wurden erstellt, auch das modernste Verfahren, das RFA-Imaging, kam zum Einsatz. Das Stereomikroskop erlaubte einen genaueren Blick auf den Farbauftrag, Querschliffproben gaben Auskunft über den Aufbau der Malschicht. So konnten wir Kompositionsänderungen entdecken, manchmal auch für Van Dyck eher untypische Unterzeichnungen oder erhielten Aufschluss über Malmaterialien, denn auch in dieser Hinsicht unterscheiden sich die in Italien und in Antwerpen entstandenen Werke: Van Dyck verwendete das, was vor Ort zur Hand war.

Die zahlreichen Funde gaben Aufschluss darüber, wie Van Dyck seine Kompositionen entwickelte (in der Ausstellung sind zusätzlich auch Zeichnungen oder Zweitfassungen zu sehen, die verdeutlichen, dass er ein wirklich experimenteller Künstler war). Sie führten aber auch zu der Frage, ob ein Gemälde eigenhändig ist oder nicht. Deshalb ist die Betrachtung der Malweise so wichtig, denn Van Dyck hat eine ganz individuelle Handschrift und konnte einfach fantastisch malen. Gemälde seiner Mitarbeiter sind technisch weniger brillant. Und tatsächlich kam heraus, dass wir zwei Werke aus unserer Sammlung nun nicht mehr dem Meister selbst, sondern seinen Werkstattmitarbeitern zuschreiben müssen. Das ist aber ganz besonders interessant, denn zwei Werke legen nahe, dass es auch „Laufkundschaft“ gab: Menschen, die auf der Durchreise in Antwerpen waren und unbedingt einen „Van Dyck“ haben wollten. Da sie aber nicht so viel Zeit (und vielleicht auch nicht so viel Geld) investieren wollten, entschieden sie sich für bereits vorgefertigte Porträts, in die nur noch ihre Gesichter eingefügt werden mussten. Andererseits können wir dank eines Infrarotreflektogramms des Porträts des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm nun mit Sicherheit sagen, dass das Werk doch von Van Dyck selbst, und nicht von seinen Mitarbeitern gemalt wurde! Dies sind nur einige Beispiele einer Vielzahl von Entdeckungen. In den drei großen Ausstellungssälen haben wir daher Screens für euch aufgestellt, an denen ihr alles im Detail nachvollziehen könnt. Dort und im Katalog gehen wir noch weiter in die Tiefe und erklären, wie zum Beispiel ein Experte für Holzuntersuchungen, der die Abstände der Jahresringe misst und damit die Entstehung von Bildträgern zeitlich eingrenzen kann, weitere Erkenntnisse zur Datierung einiger Holztafeln lieferte. Im Katalog erfahrt ihr auch mehr zu den Brandstempeln, Siegeln und Tafelmacherzeichen auf den Gemälderückseiten als wertvolle Indizien, um dem Entstehungskontext und den Sammlern der Werke Van Dycks auf die Spuren zu kommen. 

© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Haydar Koyupinar

Leihgaben und Ausstellungsarchitektur

Um unsere Thesen untermauern zu können, haben uns Leihgeber aus aller Welt großzügig ihre Van Dycks für die Dauer der Ausstellung geschickt. Somit bringen wir 60 Werke aus unserer eigenen Sammlung mit 40 Leihgaben in einen Dialog, der zum Vergleichen und Staunen einladen soll. Wir hoffen damit zeigen zu können, wie akribisch und ambitioniert Van Dyck insbesondere seine Historienbilder konzipiert hat. Ein weiterer Aspekt ist es, euren Blick auf prägende Vorbilder zu lenken, unter deren Einfluss Van Dyck seinen eigenen Stil entwickeln konnte: Wir zeigen euch deswegen auch Werke von Rubens, Tizian und Tintoretto, die von den Sälen der ständigen Sammlung in die Ausstellung gewandert sind.

Die Ausstellungsarchitektur bildet einen zurückhaltenden, aber eleganten Rahmen, der die Werke erstrahlen lässt; farbige Wände geben eine Orientierung und verdeutlichen Zusammenhänge. Im Audioguide gibt Frau Dr. Neumeister, Kuratorin der Ausstellung und zusammen mit den Restauratoren Eva Ortner und Jan Schmidt verantwortlich für das Forschungsprojekt, Einblicke in die Untersuchungen, die Ergebnisse und deren Umsetzung in das Konzept der Ausstellung, die Van Dyck aus ungewöhnlicher Perspektive und in einem neuen Licht zeigt.

© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Franziska Pietsch

Veranstaltungen rund um Van Dyck

Wahrlich lebendig wird Van Dycks vielseitiges Schaffen während unserer Veranstaltungen. Wir laden euch ganz herzlich ein, mit uns gemeinsam während der After Work-Abende am 9. und 23. Januar ab 19:00 Uhr mit Bier aus Flandern auf Van Dyck anzustoßen. Solisten des Münchner Rundfunkorchesters spielen währenddessen vor Van Dycks Werken und lassen uns in seine Zeit eintauchen.

Wissenschaftlicher geht es bei unseren Abendvorträgen zu, die im Rubens-Saal der Alten Pinakothek stattfinden: Am 15. Januar kommt niemand geringeres als der Rubens-Spezialist Nico van Hout aus Antwerpen zu uns und wird uns Spannendes zu den Studienköpfen berichten, die so zahlreich in unserer Ausstellung zu sehen sind. Diese Studien tauchen in Van Dycks Werken immer wieder auf und verraten uns viel über seine Werkstattpraxis!

Im nächsten Blogbeitrag wird es um die enthusiastische Resonanz zur Ausstellung gehen – spätestens dann ist es Zeit, dass wir uns bei euch bedanken: Eure vielen Anmerkungen im Resonanzraum der Ausstellung lesen wir eifrig und haben auch schon einige Anregungen von euch in die Tat umgesetzt!

Autorin: Julia Thoma, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Van Dyck in der Online-Sammlung

Alle Werke Van Dycks aus unserem Bestand findet ihr auch in unserer Online-Sammlung. Zum Teil sind dort noch Schwarz-Weiß-Aufnahmen oder keine Bilder vorhanden – wie kommt das? Inmitten der Ausstellungsvorbereitungen bekam unsere Museumsdatenbank ein großes Update. Die damit verbundenen aufwendigen Wartungsarbeiten in unseren Datensätzen werden noch etwas dauern, und erst dann funktioniert die Online-Sammlung wieder reibungslos. Im Laufe des kommenden Jahres werden nach und nach die farbigen Bilder hinzukommen, welche auch im Ausstellungskatalog farbig abgedruckt sind!