04.10.2019: Rembrandt hautnah!

Auge in Auge mit dem Meister des Lichts (1606-1669)

Am 4. Oktober 1669 – vor nunmehr 350 Jahren – starb Rembrandt van Rijn (1606/07-1669) im Alter von 63 Jahren in seiner Wahlheimat Amsterdam. Bereits zu Lebzeiten zählte er zu den bedeutendsten und erfolgreichsten niederländischen Malern des Goldenen Zeitalters.

Die Alte Pinakothek präsentiert aus diesem Anlass Rembrandts „Jugendliches Selbstbildnis“ von 1629 Seite an Seite mit anderen Werken des Künstlers aus dem eigenen Bestand im großen Holländer Saal (Obere Galerie, Saal IX). Diese Zusammenschau eröffnet dem Besucher völlig neue Perspektiven: durch die direkte Gegenüberstellung entdeckt er das Gesicht des Malers auch in den Historienbildern der „Kreuzaufrichtung“ und der „Kreuzabnahme“ als Teil des weltberühmten Passionszyklus. Denn Rembrandt, der in jungen Jahren als Historienmaler erfolgreich war, nahm sich selbst zum Modell und übte im Spiegelbild die Darstellung von Emotionen, Affekten und Gesten. Dies begründet auch, warum Rembrandt sich so häufig wie kaum ein anderer Künstler im Verlauf seiner Karriere selbst ins Bild gesetzt hat: innerhalb von vierzig Jahren rund neunzig Mal.

Das Jugendliche Selbstbildnis

Die kleine Münchner Holztafel mit dem Brustbild eines jungen Mannes zeigt Rembrandt im Alter von 23 Jahren.

Das Bild ist rechts auf der Höhe des Kinns mit »RHL 1629« (Rembrandt Harmenszoon Leiden) bezeichnet.

Rembrandt sucht die Nähe zum Betrachter und wählt einen engen Bildausschnitt, der lediglich seinen Kopf und seine rechte Schulter bis hin zur Brust zeigt. Er ist leicht nach vorne gebeugt und wendet seinen Kopf dem Betrachter zu, den er mit weit geöffneten Augen und leicht hochgezogenen Augenbrauen anschaut. Sein volles, fast schulterlanges, krauses Haar fällt lockig über die Stirn. Der Mund ist leicht geöffnet.

Bemerkenswert ist der überraschte, erstaunt wirkende Gesichtsausdruck des jungen Mannes. Körperhaltung und Mimik erwecken den Eindruck einer Momentaufnahme – ein kurzer, spontaner Augenblick. Die Ausleuchtung mit scharfen Kontrasten zwischen Hell und Dunkel verstärkt diesen Eindruck.

Das stark gebündelte Licht fällt diagonal von links auf Hemdkragen, Wange und Ohrläppchen und streift noch Nase, Mund und Kinn.

Seine Augen, der wohl lebendigste Teil des Gesichts, liegen im Schatten.

Spontanität kennzeichnet auch Rembrandts Malweise: außer in wenigen Partien des Gesichts herrscht ein breiter und lockerer Pinselstrich vor. Den Hemdkragen modelliert der Maler mit dickem Farbauftrag und breitem Duktus, während er die feinen, lockigen Haare auf der Stirn mit einem spitzen Gegenstand in schwungvoller Bewegung aus der nassen dunklen Farbe kratzt, so dass die ockerfarbene Untermalung zum Vorschein kommt.

Die frühen Selbstbildnisse Rembrandts dienten nicht nur Studien, sondern wurden rasch auch als Sammlerobjekte begehrt. Mit einem solchen Selbstbildnis erwarb der Käufer nicht nur eine der beliebten Charakterköpfe Rembrandts, sondern zugleich ein authentisches Werk mit dem Gesicht des Künstlers selbst. Der junge Künstler etablierte damit auf dem Markt eine „Marke“, baute sie auf und entwickelte sie weiter.

Bild: Jugendliches Selbstbildnis, Rembrandt (Harmensz. van Rijn), 1629, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Kreuzabnahme Christi, Rembrandt (Harmensz. van Rijn), 1632/33

Bildnis – Historie

Als junger Historienmaler übte Rembrandt Emotionen, Affekte und Mimik der Figuren seiner Erzählungen möglichst wirklichkeitsgetreu wiederzugeben, um der Darstellung Authentizität zu verleihen. Dabei stand er sich oft selbst Modell und zeichnete die verschiedenen Gesichtsausdrücke nach seinem Spiegelbild. Diese Studien dienten nicht nur Übungszwecken, sondern sie fanden auch Verwendung in Gemälden. Noch in seiner Werkstatt in Leiden schuf Rembrandt beispielsweise die „Kreuzabnahme Christi“ als Teil seines berühmten „Passionszyklus“.

Beim genauen Hinschauen entdeckt man, dass einige der Gesichter in den Szenen des Passionszyklus auffallend dem Selbstbildnis des jungen Rembrandts ähneln.

 

Autor: Dr. Bernd Ebert, Referent der Alten Pinakothek