05. Mai 2017: #Perlenfischen nach #Museumsperlen

Eine neue Perle in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen

 #PERLENFISCHEN in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen

Autorin: Laura Krzikalla

Als der Infopoint Museen und Schlösser in Bayern und Münchner Kaiserburg zur Blogparade aufrief, fiel die Entscheidung schwer: Welches Werk fasziniert uns besonders? Gar nicht so einfach bei so vielen Meisterwerken. Zum Glück wurde uns dann eine ganz besondere „Perle“ sozusagen auf dem Präsentierteller serviert.

In den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen nach Perlen fischen zu gehen, ist nicht einfach. Der Grund: Wir befinden uns hier in einem Meer von Perlen. Ob Alte oder Neue Pinakothek, Pinakothek der Moderne oder Museum Brandhorst – an jeder Ecke sind wir umgeben von großen Namen und atemberaubender Kunst. Die Suche nach einer Perle, nach einem Werk, das noch mehr heraussticht als alle anderen, ist also quasi unmöglich. Es ist schlicht und einfach die so oft erwähnte Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Inmitten unseres kostbaren Perlenmeers taucht Anfang Mai ein neues Kunstwerk auf: Die Schenkung eines Delacroix, „Zwei Pferde vor einem Stall“ heißt es. Eine neue Perle in unserem Bestand, so neu, dass sie für den Moment einen kleinen Funken heller strahlt als die anderen.

„Zwei Pferde vor einem Stall“

Dass ein weiterer Delacroix – vier gibt es schon in der Neuen Pinakothek – zu uns fand, hat das Haus einem langjährigen Mitarbeiter zu verdanken: Christoph Heilmann war von 1975 bis 2000 Konservator der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und machte das 2016 erworbene Gemälde von Delacroix zu einer Schenkung an die Neue Pinakothek. Am Tag der Präsentation tragen Generaldirektor Bernhard Maaz und Kurator Herbert Rott höchstpersönlich den Neuzugang in Saal Zehn der Neuen Pinakothek, ein bübisches Grinsen weicht ihnen dabei nicht aus dem Gesicht. Ja, diese Schenkung ist ein echtes Schmuckstück.

Die Taucherbrille abgestreift, herausgeschlüpft aus den Flossen, machen wir uns daran, unseren Neuzugang einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Zuerst einmal ist da der Raum, in dem der Delacroix seinen Platz eingenommen hat, und in dem es jetzt so wirkt, als hätten zwei schon immer zusammengehörende Teile endlich zueinander gefunden – denn „Zwei Pferde vor einem Stall“ reiht sich fabelhaft ein in die Meisterwerke französischer Romantik von Daumier bis Courbet. Das zentrale Motiv unserer Perle steckt schon im Namen: Das Pferd. Auch deshalb passt der Delacroix so gut in diesen Raum: Er ist voller Pferde. Gegenüber sticht ein großflächiger Géricault hervor, die „Auffahrende Artillerie“ zeigt eine Kriegsszenerie, in den Himmel emporspringende Pferde strotzen vor Kraft, man hört sie förmlich aus ihren Nüstern schnauben. An der Wand rechts neben Delacroix: Ein „durchgehendes Pferd“ von Courbet, es scheint getrieben von etwas, wie es da – noch gesattelt und aufgezäumt, aber ohne Reiter - durch eine Waldlichtung galoppiert. Direkt neben unserem Neuzugang: Honoré Daumiers „Don Quijote“ thront auf seinem Schimmel und nimmt beinahe expressionistische Züge an.

Und nun gesellen sich die beiden Pferde von Delacroix in unseren Stall, und sind so ganz anders als der Rest: Rastend stehen sie vor ihrem Stall, und doch scheinen sie unruhig, wartend auf etwas. Nicht nur ihre so wenig angestachelte Körperhaltung unterscheidet sie von den anderen Tieren im Saal: Sie tragen Geschirr für die Feldarbeit – sie sind Arbeitstiere, kein Fortbewegungsmittel und auch kein Kriegsinstrument. Und trotzdem oder gerade deshalb sind sie nicht nur bloße Ackergäule, auch sie strahlen auf eine ganz eigene Weise eine ungeheure Kraft aus.

Das Interessanteste jedoch ist für mich der Kontrast und gleichzeitig die Verbundenheit der beiden Tiere zueinander. Das vordere Pferd weiß, das hintere schwarz, könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Noch dazu gehen ihre Blicke in zwei entgegengesetzte Richtungen, der Schimmel blickt ins Unbekannte, der Rappe in den aufregenden Himmel, durch den gerade die Sonne zu brechen scheint. Und doch werden die Tiere zu einer Einheit, spätestens bei der gemeinsamen Feldarbeit, doch auch schon auf dem Bild: Eng stehen die Pferde aneinander, gehen beinahe ineinander über. Die Simplizität der Szene – die Arbeitstiere vor einem mit bloßem Stroh bedeckten Stall – trifft auf die kräftigen und edlen Züge der Pferde, die nicht zuletzt durch Delacroix‘ Duktus so stark für den Betrachter hervorstechen.

Mit „Zwei Pferde vor einem Stall“ wird den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eine neue Facette von Eugène Delacroix zuteil: die wirklichkeitsnahe, einfühlsame, dabei malerisch großartige Darstellung von Tieren in ihrer Umgebung. Eine neue Perle in der Sammlung an glänzenden Meisterwerken. Wir sind gespannt, was beim nächsten Tauchgang in die Tiefen unserer Museen zutage kommt.

 

Unsere Perle ist ab sofort in der Neuen Pinakothek in Saal 10 zu bestaunen. Und wer es nicht selber nach München schafft, der schaut einfach in unseren Rundgang oder in unsere neue Online-Sammlung