TEIL 2: AU RENDEZ-VOUS DES AMIS | KLASSISCHE MODERNE IM DIALOG MIT GEGENWARTSKUNST AUS DER SAMMLUNG GOETZ

INSTALLATIONSANSICHT SAAL 9
Thomas Schütte, Stahlfrau Nr. 12, 2003, Sammlung Goetz, München © VG Bild-Kunst, Bonn 2021;
Max Beckmann, Frau mit Mandoline in Gelb und Rot, 1950
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, München
Foto: Haydar Koyupinar

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TEIL 2: AU RENDEZ-VOUS DES AMIS | KLASSISCHE MODERNE IM DIALOG MIT GEGENWARTSKUNST AUS DER SAMMLUNG GOETZ

Pinakothek der Moderne | Kunst
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Der Dialog der Klassischen Moderne mit Gegenwartskunst aus der Sammlung Goetz erfreut sich beim Publikum anhaltender Beliebtheit. Die Ausstellung wird deshalb nicht nur bis 16. Januar 2022 verlängert, sondern durch die Kuratoren um weitere Gegenüberstellungen bereichert. Einige der thematisch gegliederten Räume wurden komplett neu konzipiert und zeigen Werke von unter anderem Carla Accardi, Michael Buthe, Marcel Odenbach, Tom Sachs, Egon Schiele, Cindy Sherman, Tatiana Trouvé, Luc Tuymans, die nun die Präsentation ergänzen und weitere Dialoge zwischen Klassischer Moderne und Gegenwartskunst schaffen.

Die Ausstellung „Au rendez-vous des amis“ entstand aus der Idee, einige wenige Arbeiten der Sammlung Goetz in der Pinakothek der Moderne zu präsentieren, um die vielfältigen Beziehungen der Gegenwart zur Moderne sichtbar zu machen. Die kuratorische Arbeit mit den Sammlungen offenbarte aber ein nahezu unerschöpfliches Potential, sodass eine umfangreiche Ausstellung mit über 200 Werken entstand.

Die Klassische Moderne ist mit ihrer Vielzahl von neuen künstlerischen Stilrichtungen eine Inspirationsquelle für die nachfolgenden Künstlergenerationen. Sie bereitete den Weg für einen freien Umgang mit Farbe, Perspektive und Proportionen. Diesen Einfluss zeigt die Präsentation von 13 Sälen der Klassischen Moderne im Dialog mit Werken der Gegenwartskunst aus der Sammlung Goetz. Dabei wird der Schwerpunkt Malerei medial um Fotografie, Skulptur und textile Arbeiten erweitert. Viele der Künstlerinnen und Künstler setzen sich aber auch kritisch mit diesem Erbe der abendländischen Kultur auseinander und werfen Fragen zum Umgang mit Körper, Geschlecht und Identität auf.

#SammlungGoetzPDM

Dialogführung zur Ausstellung "Au rendez-vous des amis"

14 Sep 2021 | 17:00 - 18:00 | Führung "aus erster Hand" | Mit Karsten Löckemann und Oliver Kase
Begrenzte Anzahl an Plätzen | Teilnahmemarken ab 30 Minuten vor Beginn an der Information, solange freie Plätze vorhanden sind.

Ernst Ludwig Kirchner

Spielende nackte Menschen, 1910

77 x 89 cm

Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Leihgabe aus Privatbesitz

Foto: Sibylle Forster, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

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Louise Bourgeois

Couple, 2004

Stoff, 44 x 16 x 16 cm

Sammlung Goetz

© The Easton Foundation/ VG Bild-Kunst, Bonn 2020. Courtesy Sammlung Goetz, München

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Blick in die Ausstellung: Saal 3 | Mond und Sterne

Im Jahr 1912 gaben Wassily Kandinsky und Franz Marc einen Almanach mit dem Titel „Der Blaue Reiter“ heraus. Die Titelwahl erklärte Kandinsky mit der Vorliebe für Pferde und Reiter sowie Blau als die Farbe für das „Unendliche”. Bereits 1911 und 1912 organisierten Kandinsky und Marc als Redaktionsteam des Blauen Reiter zwei legendäre Ausstellungen in den Münchner Galerien Thannhauser und Goltz, an denen neben französischen und russischen Künstlern auch August Macke und Paul Klee teilnahmen. Marc und Kandinsky strebten nach einer Vergeistigung und Verinnerlichung der Kunst. Kandinsky verwies mit dem Begriff der „Improvisation“ auf halbbewusste innere Eindrücke, die ab 1910 in abstrakten Farbkompositionen gipfelten. Franz Marc entwickelte von 1912 bis 1914 das Tierbild zum Hauptthema seiner Sehnsucht nach einer von ihm als rein und unschuldig empfundenen Natur. Im Frühjahr 1914 unternahmen August Macke und Paul Klee eine legendär gewordene Reise nach Tunis. Die Intensität des Lichts, die Vielfalt der Farben und die Architektur der tunesischen Städte hinterließen einen nachhaltigen Eindruck im Werk der beiden Künstler. Ab den 1970er Jahren schuf Michael Buthe großformatige, häufig installative Werke von intensiver Farbigkeit und märchenhafter Narration. Mit den Künstlern des Blauen Reiter teilte er die Faszination für den Orient, die Sehnsucht nach Spiritualität und das Streben nach einer Kunst, die sich nicht nur auf westliche Quellen berief. Zwischen Köln und Marrakesch vereinte er durch seine magisch anmutende Bildsprache Orient und Okzident, islamische Mystik und rheinischen Katholizismus. Unter dem Künstlernamen „Michel de la Sainte Beauté“ brachte er seinen außergewöhnlichen spirituellen Lebenskosmos zum Ausdruck.

Abbildung:
Michael Buthe, Im Zeitalter der Fische, 1988, Sammlung Goetz, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Franz Marc, Tirol, 1914, © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, München
Foto: Haydar Koyupinar

Blick in die Ausstellung: Saal 4 | EXODUS

Die Erfahrung des Ersten Weltkrieges (1914–1918) prägte eine ganze Künstlergeneration europaweit. Apokalyptische Visionen der unmittelbaren Vorkriegsjahre, existenzielle Selbstbefragungen nach Ausbruch des Krieges und meditative, schmerzvolle Rückblicke auf die Ereignisse nach Ende des Konflikts sind wiederkehrende Motive in der Kunst dieser Zeit. Mit erdigen Farbtönen und expressionistischer Ausdruckskraft stellt Egon Schiele in „Agonie“ die Dramatik eines Todeskampfes dar. Als unmittelbares Mahnmal der im Krieg geopferten Jugend Europas ist Wilhelm Lehmbrucks überlebensgroßer „Gestürzter“ mit den expressiv überlängten Gliedmaßen zu verstehen. Nicht weniger verstörend ist Walter Gramattés 1918 entstandene Szene einer düsteren Nachtlandschaft mit Laternen. Oskar Kokoschka zeichnet in seinem Gruppenporträt der „Auswanderer“ das Bild einer von Wanderschaft und Entwurzelung geprägten Generation. Das Gefühl von Verlorenheit und Heimatlosigkeit, das mit kriegsbedingter Flucht verbunden ist, hat Künstlerinnen und Künstler bis in die Gegenwart beschäftigt. Die Collage “im Land der Dichter und Denker” von Marcel Odenbach zeigt den Ausschnitt eines Briefes, den seine Tante an ihre Schwester schrieb, als sie 1939 aus Nazi-Deutschland nach Brasilien emigrierte. „Exodus, 1975“ von Stan Douglas stammt aus einer Bildserie, die als eine Art fiktive Fotoreportage aufgefasst werden kann. Douglas inszeniert die Abfahrt von besitzlos gewordenen Portugiesen aus Angola, nachdem das Land die Unabhängigkeit von der europäischen Kolonialherrschaft erlangt hatte. Wie hinterlassene Spuren einer Wanderschaft wirken die Skulpturen der italienischen Künstlerin Tatiana Trouvé, die in ihren Werken das Verhältnis von Abwesenheit und Präsenz sowie Erinnerung und Gegenwart untersucht.

Abbildung:
V.l.n.r.: Marcel Odenbach, im Land der Dichter und Denker, 2019, Sammlung Goetz © VG Bild-Kunst, Bonn 2021; Oskar Kokoschka, Die Auswanderer, 1916-17 © VG Bild-Kunst, Bonn 2021; Wilhelm Lehmbruck, Der Gestürzte, 1915-16 © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, München; Marcel Odenbach, Stadt der Helden, 2015, Sammlung Goetz © VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Foto: Haydar Koyupinar

Blick in die Ausstellung: Saal 5 | Mythische Figur

Die kubistische Plastik eröffnet durch den Verzicht auf die Wiedergabe von naturgetreuen Formen und Proportionen einen neuen Blick auf den menschlichen Körper. Sie erfasst die Dynamik von Bewegungen und überträgt sie in eine Kombination rhythmisch-abstrakter Volumen. So entstanden raumgreifende Meisterwerke der Moderne - wie die „Boxenden“ von Alexander Archipenko oder der „Dreiklang“ von Rudolf Belling.

Der deutsch-französische Künstler Hans Arp nahm kubistische Ideen auf, orientierte sich jedoch an den organischen Formen der Natur und fand so zu einem eigenständigen abstrakten Stil. Charakteristisch für seine Skulpturen sind weiche gerundete Formen und geschwungene Linien, die verborgene Wachstums- und Verwandlungsprozesse der Natur zum Ausdruck bringen.

Den Werken Arps werden fragil anmutende Gipsobjekte und sinnlich haptische Bronzearbeiten der tschechoslowakischen Künstlerin Mária Bartuszová gegenübergestellt. Obwohl sie viele Jahre abseits vom westlichen Kunstgeschehen hinter dem Eisernen Vorhang arbeitete, sind in ihrem Werk Einflüsse von Constantin Brâncusi, Henry Moore oder Hans Arp sichtbar. Den biomorph-abstrakten Skulpturen Bartuszovás ist jedoch ein unverwechselbarer sinnlich-erotischer wie psychologischer Ausdruck eigen. Einige der kleinformatigen Arbeiten, häufig Abgüsse organischer Formen, sollten in den Händen gehalten werden; teilweise integrierte sie die Künstlerin auch in die Natur. Die Plastiken wecken Assoziationen an schmerzhafte Verwandlungsprozesse, an Geburt, pulsierendes Leben, aber auch an Sterben und Tod.

Abbildung: Blick in Saal 5 der Ausstellung mit Werken von Pablo Picasso (hinten links), Alexander Archipenko (vorne links) und Hans Arp (hinten Mitte und rechts). Foto: Haydar Koyupinar
© VG Bild-Kunst, Bonn 2021 / Succession Picasso

Katalog zur Ausstellung

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der auf unterhaltsame informative Weise den Dialog der Freunde aufgreift und mit Statements der Künstler:innen weiterspinnt. In den Einführungstexten lassen die Kuratoren Oliver Kase und Karsten Löckemann die Leser:innen an der Genese der Ausstellung teilhaben, die bereits so viele Besucher:innen und die Presse begeistert hat. Der Schwerpunkt der neuen Publikation liegt aber auf den 100 ganzseitigen Abbildungen, die einen umfassenden Einblick in die Ausstellung ermöglichen.
Das neue Katalogbuch ist ab sofort im Museumsshop der Pinakothek der Moderne und online über den Museumsshop Cedon erhältlich.

Hg. Oliver Kase, Karsten Löckemann.
Beiträge von I. Goetz, O. Kase, K. Löckemann, B. Maaz, K. Vossenkuhl u.a.
Künstler:innen-Statements von Huma Bhabha, Jonathan Lasker, Tobias Pils, Andrea Zittel u.a.
Text: Deutsch / Englisch
176 Seiten, 100 Abbildungen in Farbe
17 x 24 cm, gebunden
Hirmer Verlag
ISBN: 978-3-7774-3766-8
Preis: € 29, 90

KATALOG IM MUSEUMSSHOP CEDON

Filmprojekt: Kunst und Musik

In einem zweiteiligen Filmprojekt in unserer Ausstellung „Au Rendez-vous des amis“ gemeinsam mit der Sammlung Goetz wird der Dialog zwischen Klassischer Moderne und Gegenwartskunst nun noch um die Gattung Musik bereichert: Die Kuratoren der Ausstellung Oliver Kase (Sammlung Moderne Kunst) und Karsten Löckemann (Sammlung Goetz) haben den Opernsänger Anton Leiss-Huber eingeladen, sich von den Kunstwerken inspirieren zu lassen. Mit populären Musikstücken der 1920er und 1930er tritt er, begleitet von Julian Schwarz (Akkordeon) und Johannes Stern (Kontrabass), in Interaktion mit der Kunst. Der Gesamteindruck der Ausstellung wird so um eine Facette erweitert und intensiviert.

Kamera: Leo van Kann / KATALOG Filmproduktion
Konzeptidee und Organisation: Annabel Weichel-Prechtl und Sara Moneta (Sammlung Goetz)

Teil 1: Ach, Luise!

Teil 2: Die Lilly vom Piccadilly